26.01.2000, Prescott, Arizona - Autopanne
 

Diesmal scheuchte ich mich etwas früher aus dem Bett. Meine Rippe fühlte sich nicht besser an, im Gegenteil, also ließ sich ein Arztbesuch wohl doch nicht vermeiden. Ich rief die Nummer an, die Rob mir gegeben hatte, und bat um einen Termin. Heute nichts mehr zu machen, ich könnte morgen kommen oder zu einem Notarzt gehen. Rob hatte mich davor gewarnt, ein Hospital aufzusuchen, da würde ich alleine für die Begrüßung 1000$ berappen müssen, also biss ich in den sauren Apfel und verschob meine Abreise aus Prescott auf den nächsten Tag. Vorausgesetzt, mein Arztbesuch um 11.00 Uhr würde nichts unvorhergesehenes ergeben.

Nun denn - dann eben ewas Sight seeing in Prescott again. Ein Hagelschauer hielt mich noch für eine Stunde auf, aber dann konnte selbst HBO mich nicht mehr in meinem Zimmer halten. Die Sonne brach ab und zu zwischen den Wolken hindurch.

Thumb Butte

Ich fuhr die Hauptstraße entlang in Richtung des "Thumb Butte", eines markanten kleinen Berges im Westen Prescotts. Auf dem Weg konnte ich dann gleich schauen, wo der Arzt war, damit ich mich morgen nicht verfuhr.
Die asphaltierte Straße ging nach einigen Meilen in einen Holperweg über, aber das Schild "Road not maintained" konnte mich diesmal nicht erschrecken - gegen die Strecke zur Williams Family Ranch war dieser Dirt way die reinste Rennpiste. Nach ca. 6 Meilen erreichte ich einen Aussichtspunkt. Die Sonne war gerade wieder hinter den Wolken verschwunden, es wehte ein eisigkalter Wind, ich machte zwei, drei Bilder und fuhr dann zurück - Mittagszeit, mein Magen verlangte nach einem Donut und einem Kaffee von Circle K.

Als ich die ersten Häuser erreichte machte es aufeinmal "krwamplkrrrrrkrööööö".
Oh oh. "krwmpkrwmpkrrrrrrrrrtrtrtrtrt".
Auspuff verloren? Oder dieses Teil da vorne, mit dem ich ein paar mal aufgesetzt war? Ich versuchte meinen Truck noch von der Straße zu bekommen, aber auf halben Weg verreckte er mir. 
Unter dem Wagen war nichts zu sehen, also hatte ich nichts verloren. Sch.... - etwa ein Kolbenfresser?
Ich öffnete die Motorhaube (ist auch immer ein Trick für sich, man musste an einer bestimmten Stelle ein paar mal leicht draufschlagen, damit der Schließmechanismus den Riegel freigab), und begann gerade Keilriemen, Ventilator usw. zu prüfen, also auch schon Hilfe nahte. Immerhin - hatte doch glatt drei Minuten gedauert, bis einer hielt?! Nun denn, man wird verwöhnt in Amerika - Zuhause hätte ich warten können, bis ich schwarz werde ...
Ein junger Mann mit zwei Hunden in einem Pick up fragte, ob er helfen könnte, aber er habe eigentlich keine Zeit, weil er einen Termin hätte. Schade eigentlich. Er bot mir an, mich mitzunehmen und zu einem Telefon zu bringen, aber ich hatte mein Handy dabei - diese Hilfe brauchte ich nicht. 
Er stieg dann trotzdem aus, um mir zu helfen, den Wagen von der Straße zu schieben. Und just machte es "plong" - und unter dem Auto lag die Antriebsstange ...
Ich startete den Wagen und versuchte, ihn von der Straße zu fahren, aber nichts tat sich - alle Gänge leer. Mein Helfer stieg ein und brachte den Truck endlich an den Rand.
"What happens? Am I to stupid to drive?" fragte ich etwas peinlich überrascht.
Nein, nicht direkt zu dumm, nur etwas langsam im denken. Die Antriebswelle, die die Motorkraft auf die Hinterräder überträgt, fehlte ja, also hatte er auf Vierradantrieb umgeschlaltet, damit die Vorderräder den Antrieb übernehmen konnten.
Bevor er mir das erklärte, fragte er mich noch, ob das mein Wagen sei. 
"Ja, aber erst seit vier Wochen", antwortete ich. "Eher geliehen."
"But it's not stolen?" fragte er mit einer solchen Selbstverständlichkeit, als würde er sich nach dem Wetter erkundigen.
"Oh - no! It's even registered on my name!" widersprach ich.
Wie kam er denn auf die Idee???
Na ja - wenigstens fuhr die Kiste jetzt wieder.
"Do you ride horses?" fragte mein Retter mich.
"Yes. Do I look like?" fragte ich etwas verwundert zurück.
Nein, er hätte nur meine Sporen im Wagen gesehen, als er die Antriebsstange reinlegte. Er wäre am Wochenende in Phoenix auf einer Pferdeaustellung gewesen und hätte etwas weiter die Straße hoch drei oder vier Pferde. Interessant. Das Thema hätte ich gerne vertieft, aber er war leider ziemlich in Eile, empfahl mir noch eine Werkstatt und war dann auch schon weg. Wirklich schade.

Vor der Werkstatt

Bevor ich die Werkstatt aufsuchte holte ich mir ein paar Donuts, um meine Nerven und meinen Magen zu stärken. Die Teile sind wirklich fantastisch, ein bisschen wie unsere Berliner, aber viel luftiger gebacken.
In der Werkstatt sah sich ein Mann den Wagen an, aber er schien weniger Ahnung zu haben als ich, also machten wir einen Termin für den Nachmittag aus, damit ein Mechaniker prüfen konnte, was zu tun sei. Ich hoffte ja noch, dass nur diese Stange wieder eingesetzt werden musste und nichts wirklich kaputt war.
Zeit für meinen Circle K-Kaffee!

Pünktlich um 14.30 Uhr stand ich wieder vor der Werkstatt. Glück gehabt! Nichts wirklich kaputt, ein Zwischenstück, das ich verloren hatte, hatten sie vorrätig. Nun mussten sie nur die Stange wieder einsetzen und Differentialöl nachfüllen (wozu sie meine Hilfe brauchten - die Tricki-Motorhaube ...). Fertig. Für knapp 50 Bucks. Na ja, dafür war der Kaffee sehr gut.
Ich fuhr noch etwas in der Gegend herum und probierte "Whataburger" aus. Urteil: Nicht empfehlenswert. Bei "Jack in the Box" bekommt man zwei statt nur einen Burger für den gleichen Preis, und es schmeckt dort sogar besser.
Ich schaffte es gerade noch vor dem nächsten Hagelschauer mein Motel zu erreichen.
 

Eines muss man den Wolken ja lassen - sie machen die Sonnenuntergänge unvergeßlich! Schon die Fahrt am Montagabend von der Ranch nach Wickenburg hinter dem Trailer her war atemberaubend. Der Himmel über der Stadt leuchtete in orange, gelb und violett - wie gemalt und auf den Fotos leider nicht rüberzubringen.
Auch heute abend zeigten sich die Wolken in den schönsten Farben, aber bis ich den Truck gestartet und auf einen Hügel gebracht hatte, war es leider zu spät, es waren zu viele Wolken aufgezogen. 
Es begann wieder zu regnen und wurde eiskalt. Ich ging das Risiko ein, die Heizung anzustellen. Prompt lief sie wieder weiter, nachdem ich den Motor abgestellt hatte. Ich probierte ein wenig herum und bekam dann endlich auch den Trick heraus, um die Heizung abstellen zu können. Mein Gott - an diesem Wagen funktionierte eigentlich nichts. Türen aufschließen - Tricki. Motorhaube - Tricki. Scheibenwischer - Tricki. Heizung - Tricki. Gänge reinschalten (es ist ein Automatik mit Lenkradschaltung) - Tricki, da die Anzeige für die Gänge (wie die Anzeige für Öl, Motortemperatur, Batterieladung ...) nicht funktionierte. Als ich das erste Mal im Dunkeln fuhr, war ich überrascht, dass es alle Scheinwerfer, Rückleuchten etc. taten. Dass die Amaturenbeleuchtung funktionierte - bedurfte eines Trickes. Die Nadel für die Geschwindigkeitsanzeige war abgebrochen. Die hintere Heckklappe ließ sich nur öffnen, wenn man das Fenster herunter gelassen hatte und die Klappe von innen öffnete. Wer sich nicht auskannte und beim Aussteigen von der Fahrerseite einfach vom Sitz rutschen ließ, hatte ein paar Löcher in der Jeans - die Sitzfedern kamen am Rand durch.
Kaum zu glauben - aber ich liebte die Kiste trotzdem, ohne ihre Macken wäre die Fahrerei ganz schön langweilig. Und über den Verkauf brauchte ich mir ja auch keine Sorgen zu machen, Rob würde ihn auf jeden Fall zurücknehmen.

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Last Update: 01/2000 
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