02.02.2000, Williams Family Ranch / Liberty / Ajo, Arizona
 

Nach einem overrun durch dreieinhalb Hunde spulte ich meine morgendlichen Ranchaktivitäten ab: Kaffee kochen, Hunde füttern, Kaffee trinken, Pferde füttern, spülen, aufräumen.
Ich war gegen halb neun aufgestanden, trotz strahlendem Sonnenschein hielt mich die morgendliche Kälte im Bett. Um zwölf Uhr mittags verließ ich die Ranch - das füttern der Pferde nahm erheblich mehr Zeit in Anspruch, als geplant. Ich hatte mal wieder einen kleinen Unfall - allmählich beginne ich zu vermuten, dass Ranchaufenthalte für mich eine Aneinanderreihung von Selbstmordversuchen sind.
Diesmal war die Unfallursache so lächerlich, dass es schon fast peinlich ist, davon zu berichten: getreten von einem Rindvieh! Ich war erst halb fertig mit füttern, als ich eines der Kälber (schon etwas größere Kälber) in der Scheune erwischte, wo es an den Heuballen nagte. Ich jagte es also durch das Tor heraus, durch das es hereingekommen war, und unterstützte meine ernsten Absichten mit einem angedeuteten Tritt - woraufhin das dämliche Kalb seinerseits kräftig ausschlug und mich am Unterschenkel traf - zum Glück nicht am Schienbein, aber von hinten in den Muskel. Whow! Es war keiner da, der mich hören konnte, also konnte ich mich gehen lassen und schrie mir fast die Seele aus dem Leib (woher kommt dieser Drang eigentlich? Überdruck ablassen?), als ich auf dem Boden lag. Das alarmierte die Hunde, die sich auf mich stürzten, während ich kaum in der Lage war, aufzustehen. Es war ein Schmerz wie ein Krampf im Unterschenkel, aber ohne die Chance, ihn durch stretchen zu mindern. Schließlich schaffte ich es, trotz Einbein und Schmerzen und mich anspringender Hunde eine Heugabel zu greifen und mit deren Hilfe zu einem Heuballen zu hüpfen, wo ich erst mal zehn Minuten verpustete. Der Schmerz ließ etwas nach, aber sobald ich das Bein bewegte nahm er wieder zu. Es half nichts - die Pferde mussten fertig gefüttert werden und ich musste irgendwie laufen - schließlich war ja keiner ausser mir da. Die erste Belastung des Beines war höllisch, aber schließlich schaffte ich es, humpelnd-hüpfend weiterzufüttern - allerdings im Zeitlupentempo.
Als ich dann soweit war, den Hügel zurück zum Ranchhaus hochzugehen, war es zumindest soweit erträglich, dass ich mich zwar stark humpelnd, aber nicht mehr unter Keuchen vorwärts bewegen konnte.
Nun denn - im Ranchhaus gab es Ibuprofen oder so - auf jeden Fall wie Aspirin ein "Painkiller" (200 Tabletten für 2,99$ bei Safeway - Guten Appetit, Amis!), die wirkten zwar nicht, waren aber ein netter Trost.
Apropo - eine gute Nachricht: meinen Rippen geht es schon erheblich besser. Schmerzen zwar immer noch, wenn ich schwer hebe oder mich im Bett herumdrehe, aber bei weitem nicht mehr so stark wie letzte Woche. Na ja, das Bein machte jetzt die Ablösung. Auch am Abend humpelte ich noch stark.

'Straße' von der Ranch nach WickenburgRichtung Süden (Buckeye)

Genug genölt. Ich brach also nach Wickenburg auf (leider war das rechte Bein das "lahme" Bein, was mir nicht gerade eine neue Rekordzeit zum Circle K bescherte) und fuhr nach einem Kaffee weiter auf einer Nebenstraße, die Roy mir auf meiner Karte gezeigt hatte, in Richtung Phoenix.

Tagesetappe: ca. 160 Meilen (250 km) Erstes Ziel für heute war Liberty, ein kleines Städtchen (in Deutschland würde man es eine "Ansiedlung von drei Bauernhöfen" nennen) ca. 15 Meilen westlich von Phoenix. Dort lebte Doby mit seiner Familie auf ca. 4 acres (ca. 10 ha), hinter seinem Haus war noch ein weiteres, kleineres Häuschen, in dem Carrol und Roy wohnten, wenn Roy in Phoenix arbeiten ging.
Ich traf gegen 15.00 Uhr dort ein, ließ mir von Carrol die Pferde (die ich teilweise schon auf der Ranch gesehen hatte) und Häuser zeigen, hielt Schwätzchen, trank eine Pepsi und verabschiedete mich dann, um weiter in Richtung Tucson zu fahren.

Circle KIch wählte eine Route, die mich über Nebenstraßen führte, um mir die langweiligen Interstates zu ersparen. Zwei mal hielt ich an, um mich bei einem Circle K mit Kaffee zu versorgen, zuerst in Buckeye, dann in einem Kaff namens Gila Bend, das nur aus Motels zu bestehen schien. Es war inzwischen kurz nach siebzehn Uhr, also beschloß ich, Tucson für heute zu vergessen und statt dessen weiter in Richtung Süden zu fahren, um in einem Städtchen namens Ajo nach einem Motel zu suchen.
Landschaftlich gesehen war es eine gute Entscheidung - teilweise war es einfach atemberaubend! Leider, wie meistens, auf den Bildern nicht so gut rüberzubringen. Die Farben - muss man einfach selbst gesehen haben. Wenn die Sonne untergeht, färbt sich der östliche Himmel in rosa-violett-rot, die Berge glühen förmlich in den letzten Sonnenstrahlen - auf den Fotos hier nur ein schwacher Abklatsch.

Als ich in Ajo eintraf, war es schon Dunkel. Etwas besorgt musste ich feststellen, dass Ajo zwar größer als Gila Bend war - aber aus fast Null Motels bestand. Das erste Motel lag mir zu dicht am Highway - so nahe (40 Meilen) an der mexikanischen Grenze wollte ich meinen Truck nicht offen zur Schau stellen. Das nächste schien eines dieser Mobilhome-Campingplätze zu sein, und dann kam lange, lange nichts mehr - bis zum Ortsausgang. Ich drehte also und fand dann doch noch ein drittes - 65 Dollar. "No, this is too expensive for me" meinte ich entschuldigend und stieg wieder in meinen Truck. Ich musste mir beizeiten mal eine Decke besorgen, um notfalls im Wagen schlafen zu können ...
Ich hielt dann doch an diesem Mobilhome-Campingplatz, immerhin stand auch "Motel" auf einem Schild, und bekam tatsächlich kleines, aber sauberes Zimmer für unter 40$. Sogar mit eigener Kaffeemaschine für den Morgenkaffee.
Der Motelier fragte, ob ich vorhabe, nach Mexiko zu fahren. Tatsächlich hatte ich mir das heute überlegt - es waren ja kaum noch 40 Meilen bis dort hin - so konnte ich zumindest mal sagen "Ich bin in Mexiko gewesen" (ungefähr so wie in Kalifornien ... ;-) ). Der Motelier war daraufhin kaum noch zu bremsen, müllte mich mit Infos und Prospekten zu und lief mir sogar zum Zimmer hinterher, um mir zu empfehlen, kein Hotel direkt am Strand (Strand?) zu nehmen, das sei zu teuer; dann schenkte er mir noch eine Postkarte von Ajo, während seine feuchte Aussprache meinen Arm benetzte.
Morgen werde ich also erst mal weiter Richtung Süden zur Grenze fahren. Und dann - wie immer: mal schaun!    

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