26.02.2000, Hulett, Wyoming - Same procedure as Wickenburg ...
 

Morgens strahlender Sonnenschein, aber es war immer noch furchtbar windig in Cheyenne. Diesmal trödelte ich nicht (so lange) herum, gegen halb neun stieg ich in meinen Truck - der über Nacht leuchtend dagestanden hatte: die Innenbeleuchtung brannte morgens noch. Entsprechend quittierte der Chevy meine Startversuche mit einem müden "uii-uii-uii-uiii-u-u-u-..."
"Sch....!" fluchte ich lautstark, während ich der Batterie fünfzehn Sekunden Pause gönnte.
"uii-uii-uii-uhhh-..."
"Come on, Kleiner!"
"uii-uii-uii-uhhh-..."
"Na komm schon ...!"
"uii-uii-uii-uhhh-schrrr..."
"Verflucht noch eins - mach schon!"
"uii-uii-uii-uhhh-schrrrhrh..."
Beim elften oder zwölften Versuch nahm die Kiste das Gas endlich an:"uiii-uiii-uiii-schrhrhr-wrummmmmmmmm- wruuuuuuummmmmmmmmmm" - whow, ich habe das halbe Motel geweckt, weil ich das Gaspedal voll durchtrat und für zehn Sekunden nicht wieder losließ. Dann stand ich noch eine Minute vor meinem (und vieler anderer Leuts) Zimmer mit halb durchgetretenem Gas, weil ich panische Angst hatte, dass der Motor wieder abstarb.
Also kein Kaffee und keine Musik für die erste Fahrtstunde - das war die Strafe für meine Dummheit, das Licht anzulassen und notwendig, um sicher zu sein, dass sich die Batterie ausreichend auflud.

Die Landschaft von Cheyenne bis Hulett war zwar eintönig, aber irgendwie trotzdem schön. Weite, sanft hügelige Graslandschaften, mit Schnee wie mit Puderzucker bestäubt. Hier und da ein Haus, eine Windmühle, eine Ölförderer oder ein paar Rinder, ansonsten nur gelbes Gras.


In Douglas verließ ich die Interstate und fuhr "Landstraße" bis Gilette. Das war die letzte größere Stadt vor Hulett, immerhin um die 17.000 Einwohner, deshalb ging ich dort erst mal einkaufen. Mein Kühlwasser konnte sicherlich Frostschutz gebrauchen, Rob hatte in Arizona bestimmt nicht auf sowas geachtet ...
Von dort ging es wieder auf einer Interstate weiter nach Moorcraft, dem letzten Ort, bevor ich zur Ranch kommen würde. Dort fuhr ich also wieder von der Interstate herunter und suchte die Straßenränder nach Schildern in Richtung Hulett ab.
Man sollte es kaum für möglich halten - das siebenhundertfünfzig-Seelen-Dorf hatte eine eigene Polizei! Das stellte ich fest, als es hinter mir plötzlich "huiiii-huiiii-huiiii!" machte.
Na also - darauf wartete ich ja nun schon seit zwei Monaten - Späßchen mit der Polizei. Aber als ich am Straßenrand anhielt sprangen leider keine coolen, mit Spiegel-Sonnenbrillen ausgestatteten Sheriffs aus dem Streifenwagen, sondern eine uniformierte Frau sagte nur durchs Mikrophon:"Stay in your Car!"
Also stayte ich und suchte schon mal meine Papiere zusammen.
Langer Rede, kurzer Sinn: Ich war zu schnell gefahren - 30 mph erlaubt, 40 mph (angeblich) gefahren. Ich entschuldigte mich, ich hätte nach Straßenschildern Ausschau gehalten und nicht auf die Geschwindigkeit geachtet. Da ich offensichtlich ortsfremd war beließ die Polizistin es bei einer Verwarnung.
Ich fragte etwas blöd, ob ich nun was zahlen müsste. Die Polizisten verneinte, der gelbe Wisch, den sie ausfüllte, sei nur dazu da, mich daran zu erinnern, was ich falsch gemacht hätte. Wenn ich das richtig verstand, wurde mein Vergehen noch nicht einmal gespeichert. Ich konnte mich gerade noch bremsen zu erwähnen, dass der Zettel dann ja wohl für die Katz sei und umgehend im Müll landen würde ...
Tja - so also mein erster Zusammenstoß mit den Gesetzeshütern. Zumindest wußte ich jetzt, welche Papiere unwichtig waren und welche ich dabei haben sollte. Merkwürdigerweise interessierte sie mein Reisepaß und somit meine Aufenthaltserlaubnis in den USA keinen Deut.



Na? Erinnert er nicht ein wenig an den Berg aus dem Sience Fiction  "Unheimliche Begegnung der Dritten Art" von John Carpenter? Er ist es!

Und dann kam er endlich: der erste Blick auf den Devils Tower. Ich war zurück! War schon ein merkwürdiges  Gefühl. Mein Urlaub in Wyoming war eine unbeschreibliche Zeit für mich gewesen, aber ich hatte damals gesagt, dass ich niemals zur Lake Ranch zurückkommen würde. Ich war im Sommer 1999 mehr als nur ein Gast gewesen, etwas, was man nicht wiederholen konnte. Und nun kam ich doch zurück - und die Erinnerung an die Verbundenheit, die ich mit diesem Land empfunden hatte, überkam mich heftiger als jedes bisherige Erlebnis auf meinem USA-Trip. 
Hoffentlich war es kein Fehler, hierher zurück zu kommen.

Die vier Bergspitzen neben dem Devils Tower waren die "Missouri-Butts", hinter denen die Lake Ranch lag. Sie waren die einzigen felsigen Erhebungen neben dem Devils Tower in weitem Umkreis, ansonsten war die Landschaft durch zum Teil bewaldete Hügel geprägt.
Devils Tower, der nur etwa sieben Meilen Luftlinie von der Ranch entfernt lag, war ein National Monument. Es handelte sich um den Kern eines Vulkans, durch Erosion war der aussenliegende Berg abgetragen worden. Die Bergspitze war ein riesiges Plateau, die Oberfläche mit senkrechten Riefen überzogen.
Eine Indianersage erzählte, dass dort sieben Mädchen spielten, als ein riesiger Grizzly sie Angriff. Die Kinder sprangen auf einen Stein und beteten zu Gott, dass der Stein sie retten möge. Der Stein wuchs daraufhin, und der Grizzly kratzte die Riefen in seine Seiten. Die Kinder wuchsen mit dem Stein bis in die Wolken und sind heute als eines der Sternbilder am Himmel zu sehen.        

Ich erreichte die Abzweigung zur Lake Ranch - 10 Meilen unasphaltierte Straße bis zur Ranch. Ein Blick auf meine Tankanzeige ließ mich das Gaspedal durchtreten und weiter nach Hulett fahren, anstatt abzubiegen. Ich wollte es nicht riskieren, irgendwo im Nirgendwo mit leerem Tank liegenzubleiben.
Ein letztes Mal versuchte ich, Monte per Telefon zu erreichen, aber ich bekam nur den Anrufbeantworter, wahrscheinlich war er bei dem guten Wetter (der Wind hatte vollständig nachgelassen, es war sogar so warm, dass ich meine Jacke nicht brauchte) irgendwo draussen unterwegs.
Monte hatte mir erzählt, dass Greg alleine auf der Ranch wohnte (Monte und Max wohnten ihren Familien zuliebe näher an der Zivilisation), also hoffte ich, zumindest den Horsebreaker auf der Ranch anzutreffen.
Der Holperweg zur Ranch war bei weitem nicht mit der Strecke zur Williams Family Ranch zu vergleichen. Die Straße war gut gepflegt, fast plan, und vor allem ging es nur sanft auf und ab, es gab keine steilen Steigungen wie zu der Ranch in Arizona. Zum Glück, dafür lag nämlich ca. 30 Zentimeter hoch Schnee, der auf den ersten fünf Meilen deutliche Spurrinnen von anderen Fahrzeugen aufwies. An der letzten Abzweigung zur Lake Ranch sah ich nur noch die Spuren von einem Wagen und hoffte, dass sie zur Ranch hin- und nicht wegführten.
Als ich auf der Ranch ankam, stellte ich enttäuscht fest, das dort kein einziger Wagen stand - also stammten die Spuren, die ich gesehen hatte, wohl von Greg, der die Ranch verließ.
Das kannte ich doch irgendwoher - Ranchbesuche und keiner da. Wie in Wickenburg auf der Williams Family Ranch.

Zur Sicherheit stieg ich trotzdem aus und rief: "Hello! Anybody here?"
Keine Antwort, aber aus der Scheune hörte ich ein Radio. Also war Greg wohl doch da! Ich ging durch die Sattelkammer (die erheblich vergößert worden war) in die Scheune, wo ich Gregs Sättel und das plärrende Radio fand - aber keinen Horsebreaker. Vor der Scheune lagen und standen ein paar Pferde im Korral, ich versuchte sie wieder zu erkennen, aber die Fellknäuel kamen mir völlig unbekannt vor. In einem meinte ich, Maccaroni zu erkennen, aber dann sah ich zwei weitere Pferde, die genauso aussahen - merkwürdig, ich wusste gar nicht, dass es auf der Ranch soviele Pferde mit der ausgefallenen Farbe gab.
Ich sah in dem Zimmer über den Stall nach, vielleicht lag Greg gut angetrunken im Bett und hörte mich nicht. Aber das Zimmer war unbewohnt.
Im Ranchhaus empfing mich ebenfalls laute Musik, rufend ging ich durch die Tür. Aber auch hier fand ich nur ein einsam spielendes Radio. Whow! Greg wohnte offensichtlich im Ranchhaus, es sah chaotisch aus. Viele Möbel waren einfach verschwunden, in "meinem" Zimmer gab es noch nicht einmal mehr ein Bett, die Eßecke war vollständig ausgeräumt, stattdessen standen dort ein Sattelbock und ein Übungskalb zum Lassowerfen. Ich stellte mir vor, wie Greg abends besoffen vom Wohnzimmer aus das Lasso warf! 

Keiner da. Ich suchte einen Zettel und fing an zu schreiben "Hi Greg!" als mir einfiel, dass Greg gar nicht lesen konnte. Also änderte ich den Text in "Hi there!" und schrieb, dass ich dagewesen wäre und es am nächsten Tag noch einmal versuchen würde.
Dann verließ ich das Ranchhaus und unterzog das neue Gästehaus einer Besichtigung. Es war noch in Bau gewesen, als ich im Sommer hier war, nun war es zumindest soweit fertig, dass es bewohnbar war. Nett anzusehen, im Erdgeschoß ein großer Aufenthalts- und Eßraum, hinten eine große Küche. Der große Raum war bis zum Dach offen, das obere Geschoß war als Galerie angelegt, von der aus man fünf Zimmer erreichen konnte. Die waren einfach, aber durch das Holz, aus dem das Haus gebaut worden war, sehr gemütlich. Es gab nur ein ganz erhebliches Problem: das Haus war unglaublich hellhörig. Jeder Schritt auf dem Holzboden hallte durch das gesammte Gebäude; sicherlich nicht angenehm, wenn ein Haufen Gäste hier waren.

Ich versuchte nochmals, Monte per Telefon zu erreichen, aber mein dämliches Handy hatte zwar Empfang, erzählte mir aber mit blecherner Stimme, dass ich von diesem Gebiet aus keine Anrufe machen könnte. Na toll - offensichtlich funktionierte das Handy nur in Arizona. 
Das Ranchtelefon konnte ich nicht benutzen, weil es die Nummer hatte, die ich anrufen musste. Irgendwie wurden Anrufe normalerweise an Monte weitergeleitet, aber nun erzählte es mir natürlich, dass ich eine Rufnummer gewählt hätte, die ich selbst besetzt hielt.
Also beschloß ich nach Hulett zurück zu fahren und es von dort aus zu versuchen.
In Hulett ging ich als erstes in den Saloon - vielleicht war Greg nur das Bier ausgegangen. Aber ich konnte ihn unter den langhaarigen und langbärtigen Männern, die am Tresen saßen, nicht erkennen. Nachher fiel mir ein, dass Greg sich vielleicht inzwischen einen Bart hatte wachsen lassen, aber eigentlich vermutete ich ihn eher bei seiner Freundin Linda in South Dakota, also sah ich nicht noch einmal nach. Ich fuhr zurück zur Tankstelle - die hatte schon geschlossen. Auch das Motel war zu. Wenigstens der kleine Supermarkt hatte ein Schild "open", dort fragte ich nach einem Telefon und wurde zurück zum Saloon oder zu einem anderem Motel geschickt. Also gab es wenigstens noch ein Motel, das hoffentlich geöffnet war.
Vor dem Motel fand ich eine Telefonzelle, aber es war mal wieder nur der Anrufbeantworter, der mir antwortete. Ich hinterließ eine Nachricht und checkte dann in dem kleinen Motel ein.
Tja - und nu? Ich hatte mir einen etwas ungünstigen Zeitpunkt für meine Ankunft ausgesucht, es war Samstag; wenn Greg wirklich zu Linda gefahren war, kam er vor Sonntag Abend nicht zurück, und Monte wollte ich am Wochenende eigentlich nicht belästigen. Na - wie immer: mal schaun! 

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