25.05.2000, Los Angeles and back to Williams Family Ranch
 

Morgens war es immer noch diesig und feucht. Wir brachen auf, um uns nun endlich Venice anzusehen, die Beach in Los Angeles, wo sich die Spinner treffen. Spinner im Sinne von Body Buildern, die sich im Freien produzieren, skurrile Typen etc.

Leider war es nicht der günstigste Tag für eine Promenade entlang des breiten Strandes, um buntes Treiben zu verfolgen. Es war nebelig. Die Promenade war in Vorbereitung auf die Hauptsaison eine einzige Baustelle. Überall hingen Penner herum: "Wanna ask you a question." - "Tschuldigung, aber ich spreche kein Englisch." - "Just a question - I wanne eat." - "Ich verstehe nicht. Ich kann kein Englisch!" usw. - ich dummer Touri und nix sprechen ausländische Sprache ...
Entsprechend blieben die "Sehen- und gesehen werden"-Typen leider aus, was blieb war eine Ahnung der Null-Bock-auf-Anpassung und Auffallen-um-jeden-Preis-Mentalität der Menschen, die diesen Strandabschnitt im Sommer bevölkerten.

Gegen Mittag wurde es Zeit für uns, aufzubrechen. Ich musste mich wieder auf den Rückweg nach Wickenburg machen, während Günter seine Reise nach Norden fortsetzte, um dort in einem Nationalpark Bäume und Bären zu besichtigen.
Es war für mich eine völlig neue Erfahrung gewesen, Besichtigungstouren mit jemandem zusammen zu machen, und es tat mir leid, einen Reisebegleiter zu verlieren, der offensichtlich ähnliche Interessen hatte wie ich. Aber andererseits hatte ich auf meinen Reisen häufig Dinge unternommen, die mit einem Mitreisenden gar nicht möglich gewesen wären, es gab also immer eine Kehrseite.
Der Abschied verlief kurz und schmerzlos, ein etwas trauriger Nachgeschmack blieb aber doch - das Wetter half dabei ...

Bis Palm Springs begleitete mich Regen und feuchter Nebel, dann wurde es, als ob man durch eine Tür ginge, schlagartig sonnig und heiß.
Bei einem McDonalds hielt ich an und zog mich um, es wurde zu warm für lange Ärmel, und in Ermangelung an etwas anderem in Reichweite zog ich ein Shirt mit der Aufschrift "Venice Beach" an, das ich morgens gekauft hatte. Ungewaschen - who cares?
Nächster Halt war Blythe, wo ich im Big K mart Kaffee und Filter besorgte, ausserdem nahm ich noch ein Paar Shorts mit - für Sommerwetter war ich garderobemäßig nicht eingedeckt. Obst und gekühlte Lebensmittel gab es dort nicht, und nachdem ich fast eine Stunde an einer Tankstelle verschwendete, weil die Tanksäule nicht richtig funktionierte, hatte ich auch keine Lust mehr, woanders einkaufen zu gehen. 
Inzwischen wurde es dunkel, Quartzsite, wo ich eigentlich noch einmal in den Rock Shop hatte gehen wollen, lag verschlafen am Straßenrand, als ich dort durchfuhr. Ein andernmal.


Gegen neun erreichte ich endlich Wickenburg. Der Safeway hatte noch offen, also ging ich doch noch mal shoppen, um Obst und Milch zu kaufen. Mein Shirt mit der Aufschrift "Venice" fiel sofort auf, ein Mann sprach mich bei den Melonen an: "It's a long way from Venice!" 
Also wenn man nicht weiß, wie man in Amerika mit Leuten ins Gespräch kommt - beschriftete T-Shirts sind immer gut. Mir wurde empfohlen, mich nächstens mehr nördlich von Los Angeles zu halten, er käme aus Ventura und dort wäre es viel schöner und nicht so voll.
Der nächste Stop war dann Circle K (Richtig: ein Kaffee war fällig), dort tankte ich auf und checkte den Motor, er wurde zwar nicht heiß, aber doch wärmer als normal. Nachdem ich Kühlwasser nachgegossen hatte schaffte ich es noch einmal dreihundert Meter weiter bis zum McDonalds für einen Vanilleshake. Irgendwie hatte ich das Gefühl, mich gründlich auf meine Fahrt 'gen Ranch vorbereiten zu müssen, wer weiß, was für Viehzeug mich aufhalten würde.
Tatsächlich - nach 6 Meilen, gerade kurz vor der Stelle, an der man den Vierradantrieb einschaltet, weil dort der holprige Staubweg in die letzten acht Meilen steinigen Holperweg übergeht, stand etwas blaues am Straßenrand. Ich fuhr langsamer, bis ich einen Mann mit einem meterlangen weißen Bart erkannte, der eine Wasserflasche schwenkte. Irgendwie schien er mir nicht recht koscher zu sein, andererseits läßt man niemanden in the middle of nowhere in der Wüste stehen, also ließ ich das Fenster herab und verriegelte die Tür, als ich ihn fragte, ob er Hilfe bräuchte.
Er wäre etwas weiter auf der Straße hängen geblieben und müsste nun in Richtung Wickenburg. Oje. 
"Do you need a ride?" fragte ich mit mäßiger Begeisterung.
Ja, er wäre sehr dankbar, wenn ich ihn bis dorthin bringen könnte, wo die Asphaltstraße aufhörte und in Kiesweg überging.
Also lud ich den offensichtlich nicht ganz nüchternen Mann ein und wendete meinen Pickup. So ganz raffte ich nicht, wo nun sein Problem lag, ich vermutete fast, dass er mit besoffenem Kopf durch die Gegend wanderte, aber immerhin war er dann in der Nähe der Zivilisation besser aufgehoben als sechs Meilen tief in der Wüste.
Mir war nicht so recht nach unzusammenhängenden Gesprächen, also drückte ich auf den sechs Meilen zurück kräftig auf die Tube, was bei der miserablen Federung meines Trucks und den schlechten "Straßen"- Verhältnissen vielleicht nicht gut für jedermanns Nerven ist. Wenn der arme Kerl nicht schon weiße Haare gehabt hätte - nach der Fahrt hätte er sie gehabt!
Im Nachhinein - ich muss ja zugeben - datt war nicht besonders nett von mir. Der arme Kerl hüpfte in Todesangst in meiner Kiste rum, fragte, wie viele Unfälle ich schon gehabt hätte und stellte fest, dass er bei der Army gewesen sei, Vietnam und so - aber so 'ne Fahrt hätte er noch nie gehabt!
Zum Abschied bedankte er sich, meinte, wenn ich jemals Hilfe bräuchte, solle ich nach ihm fragen und ausserdem: "Take it easy!"
Ich glaube er ging davon aus mich nicht lebend wiederzusehen ...

Also begab ich mich wieder auf den Weg in Richtung Ranch und hoffte, dass mir nicht noch jemand entgegen käme, der eine Fahrt nach Wickenburg benötigte.
Gegen Mitternacht erreichte ich, begrüßt von einem Haufen bellender Hunde, die Ranch. Ich weckte erfolgreich alle Bewohner, Danny machte sich sogar die Mühe, aus seinem Van zu kommen, um zu sehen, wer da sei. 
"You were in Venice!" meinte er begeistert, als er mein verräterisches Shirt sah. Ja - aber ich vertröstete ihn auf den nächsten Tag, um ihm davon zu berichten.
Irgendwie sah er etwas gepflegter aus als die Tage zuvor, und er hatte schon draussen sehen können, dass es mein Truck war, der vor dem Stack Lodge House stand, es gab also eigentlich keinen Grund, dass er mir in mein Zimmer hinterhertapperte - *auweia* - Danny auf Freiersfüßen?
Ich richtete mich heimisch in meinem alten Zimmer ein, erschlug ein paar Spinnen und fiel verschwitzt ins Bett. Charlie schlief im anderen Raum und alle Türen standen offen, ich wollte ihn nicht noch einmal wecken, indem ich noch großartig Wasser laufen ließ.

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Last Update: 05/2000 
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