30.05. - 31.05.2000, Williams Family Ranch, Arizona - Die letzten Tage 
 

Dienstag.
Um fünf Uhr saßen Charlie und ich auf unseren Pferden und brachen zu unserem Tagesauftrag auf: zurück zu dem Wassertank reiten und gegebenenfalls Rinder, die sich zu weit davon entfernt hatten, zurücktreiben.
Es war noch angenehm kühl, als wir das erste Stück der Straße, das durch einen Canyon führte, entlangritten. Dort trafen wir auch schon auf die ersten Rinder - gut drei Meilen vom Wassertank entfernt. Sie waren frisch und munter und suchten in einem Affenzahn vor uns das weite. Sie waren sowieso schon zu weit vom Wassertank entfernt, als dass es sich für uns lohnte, sie zurück zu treiben, also ließen wir die sieben oder acht Viecher laufen und hofften, dass sich die restlichen gut dreissig Rinder noch in in der Nähe des Wassertanks aufhielten.
Als wir dann begannen, den Weg die Berge hoch zu reiten, erreichten uns die ersten Sonnenstrahlen - trotz der frühen Stunde schon mit brennender Kraft. 

Wir ritten in einem weiten Bogen um den Wassertank herum, ohne auf weitere RInder zu treffen, nur in der Nähe der Tränke sahen wir vier oder fünf Kühe fressen. 
Schließlich kehrten wir um, ohne weitere Ausreißer getroffen zu haben, die wir hätten zurück treiben müssen. Roys Weisung war gewesen: "Back at ten" - verständlich, die Hitze nahm minütlich zu.

Immerhin waren es bis ein Uhr mittags noch unter vierzig Grad im Stack Lodge House, weswegen ich es wagte mein Notebook, umgeben von Plastikflaschen mit gefrorenem Wasser, in Betrieb zu nehmen. Aber dann hörte man meine Festplatte schon regelrecht davonschmelzen, also schlug ich wieder einen Nachmittag mit Hausarbeiten, herumsitzen und Kaffee trinken tod. Die Hitze an sich fand ich eigentlich erträglich, was mich nur verrückt machte, das war dieser Zwang zur Untätigkeit am Nachmittag, da es einfach zu heiß war, um draussen zu arbeiten.
Danny kochte drei Stunden lang in der Küche das Abendessen, da Carrol zu einer Nachbarranch gefahren war, um ihnen drei Rinder vorbei zu bringen, die wir bei unserem Rund up mit eingefangen hatten. Die Nachbarranch mit dem Wagen zu erreichen bedeutete jeweils drei Stunden Fahrt hin und zurück, da sie extra zurück nach Wickenburg musste und dann einen anderen Holperweg in Richtung der anderen Ranch - hier in der Wildnis gab es keine befahrbare Verbindung.
Gegen sechs kam Charlie aus seinem Zimmer und sah mich auf der Toolbox von meinem Pickup sitzen.
"What are you doing?"
"I'm bored ...", meinte ich. Aber inzwischen wäre es zumindest nicht mehr zu heiß, man könnte fast reiten gehen, fügte ich noch hinzu.
Ob ich denn reiten gehe wolle, fragte er. 
Ich war mir nicht sicher - von mir aus nicht unbedingt, weil ich einfach zu faul war, aber wenn er Lust hätte, würde ich mich anschließen.
"I need someone to push me", antwortete ich also.
"I don't think that I'm the one who can push you", meinte Charlie - Fluch über all diese unheimlich höflichen und zuvorkommenden Leute um mich herum - konnte denn keiner mal seine Meinung sagen?
"Would you like to ride?" brachte ich es auf den Punkt.
"Yes!" - Na also!
"Okay - let's go!"
Viel mehr Zeit als für ein Stündchen blieb sowieso nicht, wir sattelten uns im Schnelltempo zwei Pferde und machten nur eine kleine Runde um den Berg vor der Ranch herum. Am Hassayampa trafen wir auf eine recht fotogene Klapperschlange (eigentlich inzwischen nicht mehr weiter erwähnenswert), über die Charlie fast drüber geritten wäre. Vom Hassayampa selbst war inzwischen nicht mehr viel übrig geblieben, nur hier und da sah man noch ein armseliges Rinnsal fließen, der Rest war um diese Stunde längst versiegt.
Als wir zurück zur Ranch kamen, traf Carrol gerade ein. Wir halfen ihr, zwei Rinder auszuladen, die von dem Nachbarn eingefangen worden waren und zur Williams Family Ranch gehörten (schlechter Tausch: drei gegen zwei ;-)) ) und ein ausgerissenes Kalb zurück zu treiben, dann fuhren wir mit ihr hoch zum Ranchhaus.
Nach einem Abendessen mit Dannys etwas merkwürdigen Kocherzeugnissen planten wir den nächsten Tag. Charlie und ich sollten noch mal zu dem Wassertank, um die Kühe zu prüfen; am frühen Nachmittag wollte Charlie dann aufbrechen und zurück nach New Mexico fahren. Ich wollte noch bis Donnerstag Morgen bleiben, um in Ruhe alles aufzuräumen, und dann in Wickenburg erst mal diverse Telefonate machen und meine Mails durchsehen, bevor ich weiter plante. Auf jeden Fall wollte ich mir mindestens eine Nacht in einem klimatisierten Motel gönnen ...


Mittwoch.
Da Charlie am Vortag ziemlich ungern schon um vier aufgestanden war, brachen wir diesmal erst anderthalb Stunden später auf. Der Temperaturunterschied war deutlich spürbar.
Wir hatten mit Carrol abgemacht, nur flüchtig zu checken und dann die George-Washington-Road entlang zu reiten, um uns die George Washington Mine anzusehen. Wir brauchten fast zwei Stunden, bis wir die Miene endich erreichten, die kaum den Ritt Wert gewesen war. Ausser einem Tunnel, der wahrscheinlich ziemlich weit in die Erde hereinführte, war nichts weiter zu sehen. Das war offensichtlich selbst Tadpole nur ein Pinkeln wert ...
Wir überlegten, über "Athos" zurück zu reiten, was bedeutet hätte, dass wir uns den Trail suchen mussten, da es dort keine Straßen gab. Da wir nicht sicher waren, wieviel Zeit das in Anspruch nehmen würde, entschieden wir uns aber dagegen - bei der Hitze konnten wir nicht groß herumexperimentieren. Wir ritten also die George-Washington-Road zurück und wählten dann einen Weg über die Hügel zum O'Brian-Wash, von dem aus wir wieder auf die Straße stießen.
Am Korral dösten die Pferde träge in der Sonne, die beiden Fohlen lagen wie tod im Sand und regten sich erst, als wir an ihnen vorbei ritten.

Gegen halb elf waren wir zurück an der Ranch und bekamen eine Art Brunch serviert, da wir das Frühstück ausgelassen hatten: Salat und sehr leckere Fried Chicken.
Danach begann Charlie seine Sachen zusammen zu packen und verabschiedete sich, um nach Hause aufzubrechen. Wir verabredeten, dass ich mich bei ihm melden würde, sobald ich in Wyoming war - er war sehr an der Ranch dort interessiert, da ich ihm gesagt hatte, dass man dort unlimited alleine ausreiten dürfte. Wenn das so weiter ging, würde es dort vielleicht noch ein Treffen mit allen meinen amerikanischen Bekannten geben, Laura hatte auch schon angemerkt, dass sie mich gerne dort wieder sehen würde.
Mit Hilfe von drei Flaschen gefrorenem Wasser konnte ich meinem Notebook noch mal zwei Stunden Arbeit abringen, dann beschäftigte ich mich wieder mit Hausarbeiten, Kaffee trinken, etc. - Sch...-Hitze!!!
Ich saß auf der Terasse vor dem Ranchhaus und musste schließlich lachen - überall regte es sich, die Hitze schien den ganzen Insekten und Reptilien, die ihre Frühlingsgefühle auslebten, nichts auszumachen. Während mich diese riesigen Monsterwespen umschwirrten rannten Eidechsen und deren größere Verwandte über die Terassenmauern und jagdten Käfer und Fliegen. Natur pur! :-}

Danny und Carrol versuchten einen der Pickups zu reparieren, dessen Bremsen sehr schwach waren - das Round up-Wochenende hatte einige Opfer unter den Ranchwagen gefordert, bei dem zweiten Pickup war die Kupplung kaputt.
Abends machten wir uns über die ganzen Reste her, die der Kühlschrank noch hergab - Carrol und Danny wollten die Ranch auch am nächsten Tag verlassen.
Die letzte Nacht verbrachte ich in einem relativ kühlen Zimmer (sofern man 28 Grad als kühl bezeichen kann) - ich hatte endlich entdeckt, dass es günstiger war, die Zimmertür geschlossen zu halten anstatt auf ein wenig Durchzug zu hoffen, indem man alle Türen und Fenster sperrangelweit aufriess. Nun denn - vielleicht würde ich diese Erkenntnis noch mal gebrauchen können.

NEXT PAGE ->>             

E-mail:heike@waywest.de
Last Update: 05/2000 
Copyright © 2000 Heike Wuensch   All Rights Reserved