07.06.2000, Lake Ranch, Wyoming - Back again 
 

Um halb acht tankte ich meinen Pickup voll und fuhr weiter 'gen Norden. In Gilette, dem letzten größeren Ort vor der Ranch, machte ich einen Einkaufsstop. Ohne Bud brauchte ich mich gar nicht blicken lassen ...
Ich erreichte Kara Creek gegen halb zwölf, aber Montes Pickup konnte ich nicht entdecken. Stattdessen stieß ich auf einige Mädchen, die sich mir als Montes Stieftöchter vorstellten. Der sei mit den Gästen irgendwo unterwegs und ihre Mutter war nur auf einen Sprung weg. Aha. Also war Cindy bereits eingetroffen.
Ich beschloß ein Weilchen zu warten und machte ein paar Bilder von Kara Creek mit grünem Gras und Sonnenschein (und über 30 Grad Hitze ...), bis ein weiterer Pickup eintraf. Cindy kam wieder.
Ich ging zurück zum Haus, um sie zu begrüßen, und ließ mich zu einem Kaffee einladen. Monte sei bis zum Abend in Oshoto Zäune reparieren, teilte sie mir mit. Das war mir etwas zu lange, um auf ihn zu warten.
Etwas verkrampft saß ich mit Cindy im Wohnzimmer, trank meinen Kaffee und hielt Smalltalk mit ihr. Es war absolut lächerlich, die Frau war mir ansich sehr sympatisch, aber mit Montes grundlosen Paraneuern hatte er mich richtig nervös gemacht.
Als ich meinen Becher leer hatte verabschiedete ich mich höflich - ich würde erst mal einkaufen gehen müssen und am Abend oder am nächsten Tag wiederkommen, um Monte zu treffen.
Dann fuhr ich mit ziemlich gemischten Gefühlen ab. Gelogen - ich war bitter enttäuscht. Ich hatte mich auf ein paar Tage auf der Ranch in netter Gesellschaft gefreut, und nun gab es keine Bleibe mehr für mich. Weil mir nichts besseres für den Moment einfiel beschloß ich, bei der Lake Ranch vorbeizufahren. Dort saßen zwar die Italiener, die mich nicht besonders mochten, aber ich wollte auf jeden Fall noch ein paar Bilder für meine Page machen.
"You're not welcome", dachte ich auf den dreissig Meilen, die ich zur Ranch fuhr. Na toll.                       

Ich ratterte mit meinem Pickup vor das Ranchhaus und stieg aus. Niemand zu sehen, ich wollte gerade in das alte Ranchhaus gehen, als Luca aus dem neuen Gästehaus kam.
"Hi! Do you remember me?" begrüßte ich den Italiener.
"Yes, sure!" behauptete er. "Are you ready for lunch?"
Ich war gerade richtig zum Mittagessen eingetroffen und folgte Luca zum Gästehaus, wo Ferdinando mich so herzlich begrüßte, als würde ich ein Hemd aus Gold tragen. Der falsche Fünfziger - wir hatten uns während meines Urlaubs auf der Ranch im letzten Jahr wirklich nicht gut vertragen!
Blade, der Schreiner, war auch wieder da - er schien der Hausschreiner der Ranch geworden zu sein. Auch das vierte Gesicht im Bunde kam mir bekannt vor - es war Elena, eine Italienerin, die im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit wie ich auf der Ranch Gast gewesen war. Bei ihr war ich mir nicht sicher, ob sie wieder "nur" Gast war oder einen anderen Status hatte, da sie im letzten Jahr mit Luca angebändelt hatte. Aber eigentlich hatten das alle weiblichen italienischen Gäste gemacht.
Bei Steak und Salat unterhielten wir uns über die Ranch und alles drum rum. Ziemlich enttäuscht erfuhr ich, dass alle meine "Freunde" nicht mehr für Monte arbeiteten. Gregg hatte zu viel gesoffen und war abgehauen oder gefeuert worden. Keith hatten sie dieses Jahr nicht mehr angestellt, er hatte im Sommer Zäune repariert. Zugegeben - nie mehr als einen Draht pro Tag, aber dafür hatte er viel mit den Gästen unternommen. Und last but not least war Max, der Wrangler, nicht mehr da, er hatte gekündigt, offensichtlich schon kurz nachdem ich im März die Ranch verlassen hatte. Ich ahnte, was der Grund war, ich hatte selbst an einem Abend im "Fort" miterlebt, wie Monte und Max in einen Streit gerieten.
Also wirklich nur noch Italiener auf der Lake Ranch *auweia*.
Ferdinando bedankte sich herzlich bei mir für die "Lake Ranch Fanpage", die ich auf meiner Homepage gemacht hatte. Linda, Greggs Freundin, hatte ihm die Ausdrucke gezeigt, die ich ihr geschickt hatte. Und er fragte mich, warum ARGUS-Reisen keine Gäste mehr für die Ranch buchen würde. Ich erklärte ihm, dass das an der Italienerschwemme hier liegen würde - für deutsche Gäste war es nicht angenehm, als Aussenseiter da zu stehen, wenn nur italiensich gesprochen würde.
Zu meiner Verblüffung bot Ferdinando mir dann an, dass ich, wenn ich Reklame machen und deutsche Gäste für die Ranch buchen würde, in der Saison auf der Ranch arbeiten dürfte, um diese deutschen Gäste zu unterhalten. Daher wehte also der Wind und lag der Grund zu seiner plötzlichen Freundlichkeit, die er mir zukommen ließ: er wollte mich als Ersatz für ARGUS-Reisen nutzen. Ich war so verblüfft über dieses Angebot, dass ich es erst mal mit einem "Reden wir mal drüber" abtat. Erst im Nachhinein wurden mir zwei Dinge klar - das war mein Traum gewesen, das war das gewesen, was ich bei meinem Abschied von der Ranch im letzten Jahr auf der Fahrt mit Ferdinando zum Flughafen mit ihm besprechen wollte. Und dann doch nicht getan hatte, da wir schon bei normaler Unterhaltung einfach nicht auf einen Nenner kamen. Mein Traum ging also in Erfüllung, aber ich konnte ihn nicht mehr erfüllen, weil ich mit dem Thema "Leben in Amerika" inzwischen abgeschlossen hatte - ich hatte keine Möglichkeit, eine Aufenthaltsgenehmiung zu bekommen, und konnte auch nicht nur für ein halbes Jahr in Deutschland arbeiten gehen, um das nötige Kleingeld zu verdienen.

Nach dem Mittagessen saß ich mit Kaffee herum, machte Fotos und überlegte, was ich nun eigentlich mit den nächsten Tagen anfangen sollte. Die Italiener fragten mich schon die ganze Zeit, was denn meine Pläne seien.

Blade und Luca arbeiten am Gästehaus, im Winter hatten sich viele der Holzbalken und -bretter verzogen, die sie jetzt versuchten, wieder gerade zu richten.

Blade und Luca - auch ein Rücken kann entzücken ;-)Luca und Blade

Mir fiel ein, dass in Belle Fourche jeden Donnerstag eine Auktion zum Rinderverkauf war - die könnte ich mir ansehen. Und am Wochenende fand ein Rodeo in Hulett statt - auch das interessierte mich. Ich würde also in der Gegend bleiben - im Prinzip könnte ich Ferdinando fragen, ob er mir ein Zimmer für einen vernünftigen Preis anbieten könnte, Platz gab es ja genug. Und ob ich ein Motel oder Ferdinando bezahlte hatte für mich nur einen Unterschied: auf der Ranch fühlte ich mich trotz Italienerschwemme wohler.
Ferdinando war gerade beschäftigt, er trainierte einen dreijährigen Hengst, den er heute zum zweiten Mal reiten würde. Ich folgte ihm und Elena zum Roundpen und beobachtete den italienischen Horsebreaker bei der Arbeit. Er machte es gar nicht schlecht, auch er nutzte eine Art Join up, um den recht temperamentvollen Hengst folgsam zu machen.
Nach meiner Erfahrung mit Cupid auf der Williams Family Ranch hielt ich meinen Fotoapparat bereit, um festzuhalten, wie der Falbe seinen Reiter abbuckelte - aber nichts geschah. Er ließ sich gefügsam in Schritt und Trab reiten. Good job!

Ferdinando mit Dun

Als Ferdinando aufhörte und ich nach einer Gelegenheit suchte, ihn endlich zu fragen, ob ich bleiben könnte, meinte er noch bevor ich ihn darauf ansprach zu mir: "If you want you can stay here for a couple of days."
Huch. Was hatte den bloß gebissen?
"Oh - that would be great!" meinte ich. "You can charge me something like a motel ..."
Wir gingen nicht weiter auf den Preis ein - mal schaun, wer von uns beiden ein dummes Gesicht machen würde, wenn ich abreiste ...
Dann bot er mir an, mit ihm und Elena mit zu reiten, um drei ausgerissene Bullen zu suchen.
Ich würde das dumme Gesicht machen, dachte ich, und erklärte ihm, dass er mich nicht wie einen Gast behandeln sollte - zu einem "just stay" gehörten keine Ausritte. Und ich hatte schon beim Mittagessen deutlich gemacht, dass ich nicht als Ranchurlaubs-Gast zur Ranch gekommen war.
Ich ließ mir dann trotzdem ein Pferd geben, Ferdinando suchte mir ausgerechnet "BB" aus, einen Wallach, der seinen Namen einem deutlichen weißen "BB"-Brandzeichen verdankte. Und das BB-Brandzeichen stand wahrscheinlich für "Bed and Breakfast", hatte ich im vergangenem Sommer immer behauptet - der Fuchs war unglaublich faul gewesen. Diese Faxen hatte ihm aber Gregg offensichtlich im Winter ausgetrieben. Er war zwar immer noch langsam, aber nicht mehr faul.

Ferdinando und Elena

Von den drei Bullen fanden wir zwei auf einer Weide eines Nachbarn. Wir trennten die beiden von der restlichen Herde und brachten sie mit einer Verfolgungsjagd durch einen kleinen Wald, die mich schwer an das Gestrüppreiten in Arizona erinnerte, zur Ranch.

Luca und FerdinandoLuca, der während unseres Ausritts weiter mit Blade gearbeitet hatte, zeigte mir mein Zimmer im neuen Gästehaus. Er wohnte direkt nebenan mit Elena, während Ferdiando im alten Ranchhaus schlief und Blade eine Wohnung in Hulett hatte.
Nach dem Abendessen zeigte ich den Italienern die "Lake Ranch Fanpage" auf meinem Rechner - Luca war vor allem von einigen Bildern, die ich dort von ihm hatte, begeistert.
Wir warteten auf den Anruf eines Nachbarn, bei dem die Italiener am nächsten Tag beim Branding helfen wollten. Um acht Uhr morgens sollten wir dort sein, wurde uns mitgeteilt - meine Planung für den nächsten Tag hatte sich also mal wieder geändert - statt der Auktion in Belle Fourche würde ich mir wyomingsches Branding ansehen.
Ich benutzte noch kurz die Telefonleitung, um im Internet meinen Mails abzurufen - die Italiener waren inzwschen schon alle Schlafen gegangen.
Vorm Schlafengehen stand ich an meinem Fenster und schaute hinaus in die Dunkelheit. Der Tag war zwar absolut nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte - aber er war top gewesen!

NEXT PAGE ->>             

E-mail:heike@waywest.de
Last Update: 06/2000 
Copyright © 2000 Heike Wuensch   All Rights Reserved