09.07.2000, Lake Ranch - Bull drive
 

Es regnete, nach dem Frühstück machten sich alle fertig, um nach Spearfish zum shoppen zu fahren. Verle wollte sich unbedingt noch mit Klamotten eindecken, und auch Lena suchte nach ein paar Westernboots. Luca und Roberto taten so, als seien sie die leidtragenden Fahrer - und kamen mit mehreren Tüten voller Hemden zurück ...
Ich verzichtete auf die Shopping Tour und nahm mir lieber den Haushalt vor, den ich in den letzten Tagen ziemlich vernachlässigt hatte.
Ich wuselte also herum, bereitete das Dinner vor und ging in die Scheune, um die Pferde zu füttern. Das Kraftfutter wurde in einer großen Blechtonne aufbewahrt, die recht lost mit einem aufgelegten Metalldeckel verschlossen wurde. Ich beugte mich mit einem kleinen Eimer über die offene Tonne und schreckte zurück, als mich etwas aus der Tonne anfauchte. In dem fast leeren Behälter saß ein junger Waschbär. Im ersten Moment dachte ich - na klasse, da ist ja der Racoon, den ich den Jungs hier auftischen werde! Aber da ich keinen Bock hatte, ein Tier umzubringen, und nicht wußte, was ich mit ihm anfangen sollte, legte ich erst mal den Deckel wieder drauf und sicherte ihn mit ein paar alten Hufeisen. Sollten sich Luca und Roberto um den Waschbären kümmern.
Inzwischen schien die Sonne und ich genoss die Ruhe auf der Ranch, bis Monte kam. Er erwartete einen potentiellen Käufer für seine Rinder. Ich versuchte ihm meine Corndogs zum Lunch an zu bieten, aber er zog normale Hot Dogs vor - offensichtlich vertraute er meinen Kochkünsten doch nicht so ganz ...
Er hielt dann ein Mittagsschlächen, während ich weiter in der Küche werkelte, bis die Käufer kamen.

Am frühen Nachmittag kehrten Luca, Roberto, Verle und Lena zurück und zeigten mir stolz ihre Einkäufe. Luca schoss an Geschmacklosigkeit den Vogel ab: ein Baumwollhemd von Wrangler, die rechte Seite dunkel blau, die linke Seite knall (aber wirklich KNALL!)-gelb.
Wenigstens hatte er auch an was nützliches gedacht: Disketten. Er flog in ein paar Tagen zurück nach Hause und wollte unbedingt einige Bilder mitnehmen, die ich auf der Ranch gemacht hatte.
Aber erst einmal zeigte ich ihm den Waschbären im Stall, den Monte hatte erschiessen wollen, aber auf der Ranch gab es keine Patronen. Luca kümmerte sich um den Racoon, dann bauten wir meinen Rechner im Wohnzimmer auf und schauten uns die Bilder durch. Auf zehn Disketten bekam ich maximal achtzig Fotos drauf - und die aus zweitausend Bildern auszuwählen war nicht einfach ...
Erleichtert wurde die Arbeit dadurch, dass Luca ganz klar eine Art von Bildern favorisierte - das Motiv "Luca auf einem Pferd". Das schränkte die Auswahl wenigstens etwas ein, allerdings hatte ich ihn sehr häufig fotografiert, da er mit Baumwollhemd und Jeans am meisten nach einem "echten" Cowboy aussah. Die wirklich "echten" Cowboys trugen gemeiner weise häufig bunte T-Shirts und ein Käppi - das brachte keine schönen Fotos ...
Nach zwei Stunden am Rechner hatten wir beide keine Lust mehr, außerdem schien draußen die Sonne und ein Nachbar hatte angerufen, weil einer unserer schwarzen Black Angus Bullen seine braunen Hereford Kühe schwängerte.

An diesem Tag begann die große Bullen-Hetz-Jagd, die uns die ganze weitere Woche beschäftigen sollte.
Wir holten uns unsere Pferde und zogen zu fünft aus, um den Bullen zu suchen. Er hatte nun schon zum wiederholten Male sein eigenes Harem schnöde verlassen, weil er offensichtlich mehr auf Brünette als auf Schwarze Damen stand.
Ich nutzte das warme Abendlicht der langsam sinkenden Sonne und verschoss fast den gesamten Speicher meiner digitalen Kamera - gut hundert Bilder machte ich von den vier City Slickern, die den Bullen 'gen Heimat trieben. Und die Ergebnisse konnten sich später sehen lassen - das wohl beste Bild waren Luca auf Greeno hinter dem Bullen, vor grünem Gras, grauem Berg, blauem Himmel und weißen Wolken.

Der "Bull Drive", wie er später wegen der schönen Bilder in die Geschichte der Ranch einging, verlief im Prinzip recht ruhig. Wir hatten Glück und fanden den untreuen Beschäler mit seinen Mätressen gleich hinter dem Zaun zum Nachbarn. Während ich den Zaunwärter am offenen Tor machte, ritten die vier anderen Teilzeit-Cowboys in die Höhle des Bullen und trennten ihn von den braunen Kühen (die zum Teil schon schwarze Kälber hatten ...). Bewundernswert problemlos brachten sie den stattlichen Herrn aus der Herde heraus und durch das Tor durch. Nach einem ungewollten Abstecher nach rechts hatten wir ihn dann am Zaun, den entlang wir ihn bis zur Ranch bringen wollten. Da er anscheinend nichts von seinem eigenen Harem hielt und immer wieder ausbüxte, wollten wir ihn erst mal im Korral einsperren. Vielleicht würde Monte ihn abholen und mit zur Kara Creek Ranch nehmen.
Als wir an der Weide vorbei kamen, auf der seine verschmähten Black Angus Kühe grasten, überkam ihn wohl ein verspätetes Reuegefühl und wir konnten zusehen, wie ein Anderthalb-Tonnen-Monstrum elegant aus dem Schritt über einen einsvierzig hohen Zaun sprang.
Luca und Roberto wurden beauftragt, unter den wachsamen Augen der Vertreter der Frauenquote unter den Cowboys (und meiner Kamera) den Bullen zurück zu holen. Auch diese Aktion verlief fast perfekt - lediglich Roberto sah eher so aus, als würde er einen Angriff auf die Herde reiten und nicht nur einen Bullen aus ihr heraus trennen.

Einen Bullen zu treiben ist nicht ganz einfach. Einerseits sind sie recht träge, lassen sich also relativ gut treiben, andererseits können sie aber auch ziemlich ärgerlich werden - und dann sollte man besser aufpassen. Ich hielt mich mit Jack Pot von den "Arbeitern" fern und fungierte nur als Fotograf und Portier an den Zauntoren, während Verle und Lena einen Grundkurs im Bullentreiben absolvierten.
Der Bull Drive wurde an diesem Tag erfolgreich abgeschlossen, wird hatten uns die abendlichen Spaghetti Carbonara redlich verdient.
Am nächsten Tag wollte Monte früh auf der Ranch erscheinen, wir planten einen Cattle Drive von Oshoto zur Lake Ranch.

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Last Update: 01/2001 
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