01.02.2000, Prescott, Arizona - Livestock Auction
 

Diesen Morgen begrüßte Prescott mich mit - Sonnenschein! Strahlendblauer Himmel, kein Wölkchen zu sehen - herrlich!
Ich hatte bis nachts um zwei am Rechner gesessen und auch meine Telefonate alle erledigt, nach Dusche, Kaffee und noch mal kurz Mails abrufen war ich also aufbruchbereit. Auf zur Auktion - natürlich nicht, ohne unterwegs bei einem Circle K zu halten, um vernünftigen Kaffee zu bekommen ...

Es war weiter zum Auktionsgelände, als ich es in Erinnerung hatte, aber ich schaffte es noch, pünktlich um elf dort zu sein. Die Auktion selbst war nicht so pünktlich, bis die erste Ziege durch die Auktionsarena gejagt wurde, verging noch eine dreiviertel Stunde - Zeit, sich ein wenig umzusehen.
In den Korrals waren ca. 50 bis 60 Verkaufspferde und hunderte von Rindern untergebracht. Ich versuchte, die beiden Kälber von der Williams Ranch zu finden, aber es gab zu viele Rindviecher.
Die Pferde waren in sehr unterschiedlichem Zustand, aber überwiegend - mal ganz offen ausgedrückt - Dogfood. Ungepflegt, total verbaut, klapperdürr, menschenscheu. Sicherlich - aus dem ein oder anderem konnte man noch was machen, aber der überwiegende Teil ging an den Bieter in der rechten Ecke. Ich konnte mir vorstellen, was er beruflich machte ...
Der Auktionator sprach unglaublich schnell, in diesem typischen Singsang und dann auch noch auf Englisch, ich brauchte lange, bis ich anfing zu verstehen, was er sagte und um welche Beträge es ging.
Es waren viele sehr alte Pferde dabei, aufgebraucht von der Rancharbeit, einige der klapperdürren Tiere waren vielleicht Mustangs aus den Indianerreservaten. Es wurden nur acht oder neun Pferde unterm Sattel angeboten, sie waren zwischen vier und sechs Jahre alt - und gingen für einen Spottpreis an die Bieter!                


Araberhengst, 400 $

Stute, 19 Jahre alt, 720 $

Wallach, 21 Jahre alt, 680 $

Die dürren, verbauten Pferde wurden für sechs- bis siebenhundert Dollar verhökert. Die gerittenen für acht- bis vierzehnhundert. Eine Paintstute brachte den Rekordpreis von 2050 Dollar, die Reiterin pries das Tier aber auch immer wieder in den höchsten Tönen an - bis ein Rancher in die Arena rief: "Ja - klar! Hübsch anzusehen und sehr freundlich und umgänglich, die Stute. Aber was nutzt mir das, wenn sie sich die Beine bricht, wenn ich mit ihr zwischen den Steinen und Kakteen Rinder zusammentreibe?"
Eine vierjährige, registrierte Paintstute - gut gebaut und mit freundlichem Wesen. In Deutschland über zehntausend wert ...
Bei einigen Pferden sagte der Auktionator noch nicht einmal das Alter an - die Anzeigetafel zeigte aber das Gewicht des Tieres.
Favorit Nr. 2 - ein Blue-roan-Pinto-WallachMein Favorit Nr. 2 wurde für 375 Dollar ersteigert. Das ging zum Glück so schnell, dass ich den Preis nicht verstand. Sonst hätte ich vierhundert gesagt.
Ein hübscher brauner Jährling wurde hereingetrieben. Hübsch - bis man die Hufe sah. Ich hatte das bisher nur auf Fotos gesehen und nicht für möglich gehalten, dass so etwas in der Öffentlichkeit vorgeführt wird. Das Pferd hatte so lange Hufe, dass sie sich nach vorne bogen - es sah aus, als habe das arme Tier Füße wie ein Mensch. Genauso lang! Es war ein absolute Schande. Zwei Frauen hatten Mitleid mit dem Tier und boten - bis eine den Jährling für fünfhundertfünfzig ersteigerte.
Bei allem Mitleid mit dem Tier - aber solche Hufe bedeuteten, dass das Fohlen monatelang keinen Fuß vor die Stalltür gesetzt hatte - die Beine waren hinüber, da half auch kein Schmied mehr :-(
Kein Einzelfall, aber ein Extremfall. Ein Pferd fußte mit dem Hinterhuf gar nicht auf, es ging sozusagen nur auf der Zehenspitze. Die Bieterin sah wohl nicht richtig hin, in der kleinen Arena konnte man das Lahmen auch kaum erkennen - 750 $ legte sie für ein Tier an, das ganz offensichtlich erhebliche Probleme mit seinem Bein hatte.
Ich begann ein paar Fotos während der Auktion zu machen - und wurde dafür fast aus der kleinen Halle geschmissen. Der Auktionator sagte, auf mich deutend, am Mikrofon an, dass es nicht erlaubt sei, Bilder zu machen - jaja, die Deutschen Touristen ...

Nach ca. anderthalb Stunden waren alle Pferde verkauft, das erste Rind wurde hereingetrieben. Schlagartig leerte sich die bis dahin proppevolle Halle, nun waren nur noch die wirklichen Bieter, die Viehhändler, anwesend. Ich vermisste meinen Favorit Nr. 1, eine kleine Falbstute mit weißen Stichelhaaren. Gut gebaut, gut ernährt, vielleicht zwei oder drei Jahre alt, aber sehr menschenscheu. Doch offensichtlich freundlich, sie hatte zwar Angst vor mir gehabt, als ich sie mir vor der Auktion näher ansah, aber hatte nicht die Ohren angelegt. 
Nachdem drei Rinder versteigert worden waren, wurde die Stute hereingetrieben - man hatte sie vergessen. Die Pferdeinteressenten waren inzwischen alle verschwunden, es wurde also nicht lange hin und her geboten, für 425 Dollar ging sie an den Mann in der rechten Ecke. Das war weniger als Schlachtpreis. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert sein soll, dass ich so langsam reagierte - was soll ich mit einem Pferd in Amerika? - oder super traurig. Ich glaube eher, super traurig.

Ich sah mir auch die Versteigerung der Rinder noch für fast zwei Stunden an, bis ich endlich kapiert hatte, wie die Preise entstanden. Die Tiere wurden nicht pro Stück ersteigert, sondern nach Gewicht. Die gebotenen Beträge galten also jeweils für 100 amerikanische Pfund (ein dt. Kilo = 2,2 am. Pfund). Je nach Größe des Tieres (je größer, desto günstiger der Fleischpreis) wurde zwischen 75 und 100 $ pro 100 Pfund Lebendgewicht bezahlt. Das entspricht einem Kilopreis von ca. 4 DM; allerdings ist dabei nicht berücksichtigt, dass ja auch Knochen und Innereien (allein der Mageninhalt ist immens!) mitbezahlt werden.

Schließlich wurde es mir zu kalt in der Halle, ich wartete die ganze Zeit auf die Williams-Rinder, aber vielleicht hatte ich sie auch verpasst. Ich telefonierte kurz mit Carrol, um ihr zu sagen, dass ich, wie besprochen, die Pferde füttern würde. Ausserdem hatte ich am Montag Morgen zwei Pfere vermisst und wollte wissen, ob sie sie mit nach Phoenix genommen hätte. Ja, hatte sie, ich konnte mir also die Suche nach ihnen sparen. Dann brach ich gegen halb vier auf. Auf zum nächsten Circle K ...
Diesmal fuhr ich einen Umweg nach Wickenburg, um etwas andere Landschaft zu sehen. Es ersparte mir etwa zwanzig Minuten Serpentinen-Fahrt - dauerte aber insgesamt zwanzig Minuten länger, um Wickenburg zu erreichen.
Bei einem Stop, um ein Foto zu machen, verließ mich der CD-Player. Kein Mucks mehr. Diesmal half kein herumtricksen, vielleicht ist die Sicherung durchgebrannt, aber ich konnte keinen Sicherungskasten finden.

Die Ranch erreichte ich (nach einem Besuch bei Circle K in Wickenburg ...) erst im dunkeln, wieder freudig begrüßt von dreineinhalb Hunden.


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Last Update: 02/2000 
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