11.05.2000, Phoenix, Arizona - Pferderennen und American Football
 

Mal wieder bekam ich einen Weckruf von Rob, diesmal aber erst um sechs Uhr dreissig. Nancy würde gegen halb neun vorbeikommen, kündigte er mir an. Nun denn.
Kurz nach acht klopfte es kräftig an meiner Tür, Nancy stand davor, nahm die (zweidrittel-)Übergabe mit den Worten "This is close enough" vor und teilte mir mit warnender Miene mit, dass wir nun quitt seien, sie und Rob würden heiraten und ich solle die Telefonnummer wegschmeissen. Irgendwie konnte ich ihren Standpunkt auch verstehen, von Robs Verhalten war ich allerdings schwer enttäuscht. Verständlich, dass er Nancy zuliebe keinen weiteren Kontakt mehr mit mir pflegte, aber ich hatte eigentlich gedacht, dass zumindest so etwas wie Freundschaft bestanden hätte. Und die beendete man nicht über Dritte.
Ich zog also den gewünschten Strich unter das Kapitel "Rob" und räumte meinen Pick up auf, damit ich endlich Platz für meine Reisetasche in dem großen Metallbehälter auf der Ladefläche fand, in dem noch die ganzen Sachen lagen, die ich bei meiner letzten Reise drin gelassen hatte. 
Nach einem Kaffee bei Circle K machte ich mich wieder auf die Reise. Nach Phoenix, um 18.00 Uhr sollte dort ein Footballspiel stattfinden. Ich rief Sergio an, um ihn zu fragen, ob ich es ihm noch einmal zumuten könnte, mir die Regeln eines Ballspiels zu erklären, aber er hatte leider an dem Abend keine Zeit. Er meinte, es hätte auch gar keinen Sinn, da die Footballregeln noch komplizierter seien als die Baseballregeln. Ich meinte darauf nur: "That doesn't matter, it's enough when I can see how they kill each other."
Hockey wäre geeigneter, wenn ich sehen wollte wie sich die Spieler gegenseitig umbrachten, sagte er. Hockey war aber nicht so schön typisch amerikanisch!

Es war erst mittags, also beschloß ich, zwischendurch noch die Galopprennbahn in Phoenix zu besuchen.

Der Parkplatz war fast leer und irgendwie sah alles ziemlich ausgestorben aus. Duch eine Art Hintereingang betrat ich das Hauptgebäude - kein Schwein irgendwo und ale anderen Ausgänge waren verschlossen. Schließlich traf ich auf einen einsamen Angestellten, den ich nach dem Start des nächsten Rennens fragte.
"Live race?" fragte er mich verwundert. 
"Sure. With real horses ..."
Es gäbe keine Rennen mehr in Phoenix, die Saison beginne erst wieder im Oktober, klärte er mich auf. Da hatte die Frau mir am Vortag am Telefon aber etwas ganz anderes erzählt. Die hätte vielleicht die Rennen gemeint, die täglich live aus Kalifornien im "Club house" übertragen wurden, vermutete er. Dort konnten sich die Wetter auch ausserhalb der Saison treffen und Geld verspielen.
Er brachte mich in dieses "Club house", in dem überall Monitore hingen und Wettschalter und natürlich jede Menge ältere Männer mit wichtig aussehenden Listen waren.
"This is the closest you can get" erklärte er mir.

Tja, schade eigentlich. Ich kühlte mich zehn Minuten lang in der gut klimatisierten Halle ab und fuhr dann auf einen Vanilleshake zu McDonalds.

Nachdem mein erstes Motel 6 in Phoenix im Rotlichtviertel lag und das zweite zu wenig Parkplätze, aber dafür unglaublich laute Gäste hatte, suchte ich mir nun ein drittes aus, diesmal nördlich der Innenstadt gelegen. Von dort aus erledigte ich ein paar Telefongespräche für meine morgige Tagesplanung (Überraschung ...) und machte Hausarbeit (Waschen), bis ich um fünf zum Football-Stadion fuhr.
Bei dem Baseballspiel war Volksfeststimmung gewesen, hier - ja, wie soll man sagen? Schützenfeststimmung? Alles lauter, krawalliger, unruhiger, undisziplinierter.

Diesmal hielt ich mich an das, was mir Sergio beigebracht hatte, und deckte mich mit Eiscreme und Popcorn ein. Leider musste ich bald feststellen, dass Fressalien hier völlig fehl am Platze waren, man brauchte die Hände frei, um dem Team fortwährend zuzujubeln.
Als erstes wurde die Gastmannschaft, die Los Angeles Avengers, vorgestellt. Das Team wurde schon während der Begrüßung und dann während des gesamten Spiels gnadenlos ausgebuht - von Sportsgeist hielten die Amis offensichtlich überhaupt nichts.
Die Arizona Rattlers wurden mit jedem erdenklichen Pomp, Lichtspielen und Feuerwerk begüßt.              

Nach der Nationalhymne musste dann mit dem Beginn des Spieles gewartet werden, bis die Werbepause im Fernsehen vorbei war, das Spiel wurde nämlich live übertragen. 
Es wurden vier mal fünfzehn Minuten gespielt, mit einer etwas längeren Halbzeitpause und zahllosen Werbepausen, die in der Halle mit kleinen Show- und Spieleinlagen überbrückt wurden.

Anfangs verstand ich tatsächlich überhaupt nicht, wie das Spiel eigentlich lief. Ich hatte immer gedacht, es wäre im Prinzip wie Fußball, nur das auch mit der Hand gespielt werden durfte und Anrempeln erwünscht sei.
Aber so nach und nach bekam ich heraus, dass völlig andere Regeln galten. Das Spielfeld war in mehrere Felder unterteilt. Ähm. Ich kanns jetzt schwer erklären, will hier auch keinen Footballkurs abhalten. Auf jeden Fall gab es einen Anstoß, und dann hatte jede Mannschaft vier Bälle, um dem gegenerischen Tor so nahe wie möglich zu kommen, um einen Touch Down zu machen. Beim Abspielen des Balles (wenn die Spieler alle gegeneinander knallen) versucht die Mannschaft, die "dran" ist, so weit wie möglich zu kommen, was meistens nicht mehr als zehn Yards (entsprach einer der Markierungen) waren, dann lagen schon wieder alle am Boden. Von dort wurde der Ball wieder abgespielt (zusammenknallen, rennen, stoppen), bis vier Bälle verspielt waren oder ein Touch Down (Spieler rennt über die Linie am anderen Ende des Spielfeldes) gemacht wurde. Das waren so die Grundregeln, es gab noch ein paar Extras und Abweichungen, die ich nicht unbedingt verstand. 
Die Touchdowns der gegnerischen Mannschaft wurden höchstens mit einem "buhhhhh" quittiert, die der Rattlers mit einem Kanonenknall und unglaublichem Jubelgebrülle.
Während ich in der ersten Halbzeit noch ziemlich hilflos über die Chaoten auf dem Spielfeld lachen musste, brüllte ich in der zweiten Halbzeit lautstark mit, wenn einer der Rattlers den Football über zwanzig Yards brachte oder einen Touch Down machte.


Alles in allem war Football auf jeden Fall spannender als Baseball, aber auch hier störte es mich, dass das Spiel nicht fließend weiterging wie Fußball, Hockey oder Basketball, sondern immer eine kleine Wartezeit war, bis die Spieler sich zum erneuten Anstoß aufgestellt hatten. Von den Werbepausen mal gar nicht zu reden.
Die Rattlers gewannen übrigens 55 zu 28 (ein Touch Down ist 6 Punkte wert, zusätzlich kann dann noch nach jedem Touch Down ein extra Punkt gemacht werden). Das bedeutete für mich, dass meine Eintrittskarte einen Taco bei Taco Bell wert war, die mexikanische Fastfoodkette spendierte nämlich jedem Fan einen Taco (irgendwas mexikanisches zu essen, was ich eh nicht mag), wenn die Rattlers über 50 Punkte machten.
Statt Taco gönnte ich mir nach dem Spiel noch einen Vanilleshake bei McDonalds, den bekam ich auch gratis, weil ich herumnörgelte, dass die beiden Apfeltaschen für nur einen Dollar nicht vorrätig waren. ;-)                 

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Last Update: 05/2000 
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