14.05.2000, Phoenix, Arizona - Ein etwas unerfreulicher Tag
 

Ich rief ein paar Reifenshops in Phoenix an, um diesmal vorher nachzufragen, ob sie meine Reifengröße hätten, anstatt jeden einzeln anzufahren. Aber Sonntags hatten nur wenige Händler geöffnet und ich gab schließlich auf. Dann eben ein andernmal, so dringend war es nun auch wieder nicht. Stattdessen stieg ich in meinen Pick up, um ihm seinen 500-Meilen-Ölwechsel zu verpassen. 
Die gößeren Straßen in Phoenix waren fünf- oder sogar siebenspurig, wobei die mittlere Spur zum Abbiegen gedacht war. Ich fuhr auf der linken Spur meiner Fahrtrichtung und sah plötzlich auf der linken Straßenseite einen Reifenhändler, der auf hatte. Etwas spät, zugegeben, also zog ich rasch rüber auf die mittlere Spur, um abzubiegen. Und dann hat es "Bumm" gemacht. Ich hatte einen Personenwagen erwischt, der mich auf der Spur überholte (warum eigentlich?). 
Ich hielt hinter dem ziemlich demoliert aussehenden Wagen und fragte die Fahrerin, die schon ein Handy in der Hand hielt und die Polizei rief, ob sie in Ordnung sei. Wisse sie nicht, meinte sie unfreundlich. Ich ging zu ihrem Beifahrer. Ob er in Ordnung sei? Er antwortete nicht, sondern stieg über die Fahrerseite aus, weil die Beifahrertür klemmte. Eigentlich sahen beide recht fit aus, also fragte ich zu guter Letzt den Wagen, ob er in Ordnung sei. Nicht so besonders sehr, die Beifahrertür war eingedötscht, der Kotflügel zerdeppert und der Reifen geplatzt.
Ich ging zurück zu meinem Pick up und untersuchte ihn. Nichts. Absolut gar nichts, nur eine kleine Schleifspur am Reifen. Der Wagen war ein Killer ...
Ich hatte gerade alle meine Papiere zusammengesucht, als auch schon ein Polizist eintraf, der uns von der Straße auf eine Bushaltestelle dirigierte und die Personalien aufnahm. Ich bekam ein Knöllchen für "unsafe lane change" über 130 Dollar und eine Vorladung zum Gericht. Da bräuchte ich aber nicht hin, wenn ich das Knöllchen bezahlte, klärte mich der Polizist zu meiner Erleichterung auf. Nachdem der Polizist offiziell die Personalien ausgetauscht hatte, war er fertig - und ich eigentlich auch; meine Opfer mussten auf einen Abschleppdienst warten. 
Tja, tat mir alles unheimlich leid, ich war nur froh, dass es nur ein Blechschaden war. Und froh, dass die Fahrerin keine Waffe dabei hatte, die war nämlich stinksauer.
Ich versuchte ihr so viele Informationen wie möglich über meine Versicherung zu geben, damit sie alles problemlos regeln konnte, aber sie blökte mich die ganze Zeit nur an. 
Da ich annahm, dass sie versuchen würde, Schmerzensgeld für sich und ihren Beifahrer zu kassieren, fragte ich sie nach dem Namen ihres, wie ich vermutetete, Mannes.
"I have no husband!"
Ich fragte also nach dem Namen ihres Beifahreres.
"This is my son and this is all you need to know."
Ich brauchte etwas mehr Infos für meinen Unfallreport, aber da war wohl nichts zu machen. Schließlich meinte ich: "You do not have to be that unfriendly, I didn't do that with intention."
Ich könne ja wohl nicht erwarten, dass sie auch noch freundlich zu mir seie, keifte sie. Nein, da hatte sie vielleicht recht. Sie sollte mich ja auch nicht lieben, aber normal mit mir reden. Das sagte ich dann allerdings nicht mehr; wenn sie keine Hilfe von mir wollte - dann eben nicht.
Ich verabschiedete mich also mit den Worten: "I said that: I'm sorry!" - ihr noch ein "have a nice day" zu wünschen war wohl nicht angebracht.

Es war alles sehr unerfreulich, aber nicht zu ändern, also setzte ich meinen Tagesplan fort. Zuerst ein Besuch bei "Jiffy Lube", eine Art Drive Through für Ölwechsel. 
Die amerikansichen Werkstätten sind sehr spezialisiert, eineige machen nur Ölwechsel etc., andere wechslen nur Reifen, die nächsten reparieren nur Auspüffe etc.
Dafür ist der Service immer sehr prompt, Anmeldung ist nicht erforderlich.
Danach war ich reif für Circle K, bevor ich im Greyhound Park, einem großen Gelände neben der Hunderennbahn, einen Markt besuchte. Dort verkauften hauptsächlich Mexikaner Autos, Jeans, T-Shirts, Lederartikel und Tand. 
Ich fand jede Menge Vögel in einem kleinen Käfig, bei nährem Hinsehen erkannte ich , dass es junge Papageien waren. Die Grauen gabs für 55 Dollar, die Grünen für 33 Dollar. Na - ob das koscher war?
An einem Stand gab es Handytaschen, allerdings keine für mein Circle-K-Billig-Handy. Der Händler suchte mir eines heraus, dass von der Größe her ungefähr hinkam und schnitt Löcher dort hinein, wo mein Hörer und Mikrofon war.
"How much is it?" fragte ich und schielte auf das Preisschild in der Auslage. Acht Dollar.
"Five Bucks", meinte er.
Ich gab ihm einen Zwanzig-Dollar-Schein, den er in seine Kasse steckte, während er mich darüber volllaberte, dass der Befestigungsclip von der Handytasche seine Erfindung sei. Als er endlich fertig war mit seinem Vortrag fragte ich ihn: "Don't I get money back?"
Ach je - das war ihm aber peinlich. Ich hätte ihm keinen Fünf-Dollar-Schein gegeben?
"No, twenty ..."
"Oh sorry ..." begann er sich wortreich zu entschuldigen. Und gab mir tatsächlich mein Wechselgeld - er konnte es wohl nicht riskieren, dass ich einen Aufstand machte.
Nebenbei bemerkt: dieser Händler war kein Mexikaner!

Meine ursprüngliche Planung, ein weiterer Besuch beim Baseballspiel, das Sonntags besser besucht war und deshalb mehr Entertainment versprach, hatte sich durch den Unfall erledigt, dafür war die Zeit zu knapp geworden, da das Spiel schon Mittags begann.
Ich fuhr zurück zum Motel, um den Papierkram für den Unfall zu erledigen. Die amerikanische Versicherung hatte ich schon während des Ölwechsels versucht zu erreichen, aber die hatten mich dort auf Montag vertröstet.
Auch mein Knöllchen konnte ich erst am Montag bezahlen (Serviceland Amerika: das ging mit Kreditkartennummer per Telefon) - viel ausrichten konnte ich also nicht. Statt dessen fuhr ich nochmal los, um alles für meine Reise nach Wickenburg vorzubereiten. Ein paar Einkäufe, eine Fahrt durch den Drive Inn Schalter einer Bank, den Pick up auftanken, Transmissionöl nachfüllen (das Teil war ja undicht und versaute jeden Parkplatz, auf den ich mich stellte), Circle K besuchen.
Kühlwasser war ausgelaufen, aber es schien nur aus dem Ausgleichsbehälter gekommen zu sein, der sowieso zu voll war. Das hätte mir nun noch gefehlt, dass ich den Wagen schon wieder in die Werkstatt bringen müsste, es reichte mir, dass ich beizeiten noch die Keilriemen auswechseln lassen musste. Aber erst mal wollte ich endlich mal wieder raus aufs Land, Phoenix war ja ganz interessant gewesen, aber allmählich gingen mir die Entertainmentideen aus. Nun hoffte ich nur noch, dass es keine Probleme mit der Versicherung gab, da ich von der Ranch aus nicht telefonieren konnte. 

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Last Update: 05/2000 
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