23.06.2000, Lake Ranch - Dancing the Two Step
 
Freitag - Round up und Two Step

Eigentlich hatte ich mir für den Vormittag vorgenommen, mal wieder ein vernünftiges Essen vorzubereiten und ein paar Zimmer fertig zu machen, aber Luca wollte in zwei Gruppen aufbrechen, um weitere Rinder zusammen zu treiben, die uns am Vortag durch die Lappen gegenagen waren. Da sich von den anderen keiner gut genug auf der Ranch auskannte brauchte er mich als Führer für die zweite Gruppe. Etwas sträubend, aber nicht ganz unglücklich tauschte ich also den Kochtopf gegen einen schicken Fuchswallach, den ein Cowboy, der nicht mehr für die Lake Ranch arbeitete, hier zurück gelassen hatte. Wir nannten ihn nach seinem Besitzer "Sanford-Horse".
Ich erwischte natürlich nur Helfer, die kein Wort Englsich sprachen. Vor Aufbruch bat ich Luca, meinem Team wenigstens die erforderlichen Grundkenntnisse bei zu bringen: "Go out of the way!" für "Mach Dich vom Acker!", "Let them go!" für "Lass die Rinder laufen!" und "Get them!" für "Lass sie nicht abhauen!"
Leider schien selbst Luca nicht über die Grundkenntnise zu verfügen - er verstand mich komplett falsch, erklärte irgendwas anderes und liess mich dann ziehen.
Trotz arger Verständigungsprobleme schafften wir es, ein Grüppchen Rinder aufzutreiben und in das Bowl Pasture zu bringen, wo wir wieder mit Lucas Team zusammentrafen.

Zurück an der Ranch machte ich auf die Schnelle ein paar Sandwiches und überbackene Käsetoasts, damit die hungrigen Freizeit-Cowboys was zwischen die Zähne bekamen. Monte kam mal wieder pünktlich in dem Moment, als der Lunch auf den Tisch kam, im Schlepptau hatte er "Billy the kid" - trotz des amerikansichen Spitznamens ein Italiener, der aber erfrischenderweise fliessend Englisch sprach. Billy würde eineige Monate bei Monte auf der Kara Creek Ranch verbringen, um dort zu helfen - wie er es wohl schon seit Jahren tat.
Ausgerechnet heute kam der Cowboy Sanford, um seinen zurückgelassenen Fuchswallach abzuholen. Natürlich gab es Ärger; das Pferd hatte noch den verschwitzen Sattelabdruck von meinem morgendlichen Ritt und Sanford fragte sauer, wer sein Pferd geritten hätte. Luca sprang für mich in die Bresche: er hätte den Fuchs geritten, schliesslich fresse sich das Pferd seit Wochen umsonst durch und hätte halt heut mal arbeiten müssen. Wie auch immer: schade, dass der Fuchs ging, er war wirklich schön zu reiten gewesen!

Freitag Abend in Crook Country: Dancing war angesagt. Während Angelo leider auf der Ranch bleiben musste, um auf seinen Sohn aufzupassen, machten Roberto, Luca, Barabara, Sylvia und ich uns auf den Weg nach Belle Fourche. 60 Meilen für einen Saloon-Besuch, das war für amerikanische Verhältnisse fast um die Ecke.
In Belle Fourche besuchten wir als erstes einen Hamburger-Laden, wo Luca zielstrebig den Drive-in-Schalter anfuhr. Ich warnte ihn entsetzt, dass man unser miserables Englisch niemals auch noch durch ein schlechtes Mikrophon verzerrt verstehen konnte - die Erfahrung hatte ich schon bei Jack in the Box mit einer einfachen "Two Jumbo Burger, please"-Bestellung gemacht - aber er liess sich nicht abhalten.
Nach einer viertel Stunde nahmen wir mit Lachtränen in den Augen von einem total entnervten Hamburger-Laden-Angestellten unsere Bestellung entgegen - in dem sicheren Wissen, dass wir hier nichts positives für die deutsch- bzw. italienische-amerikanische Freundschaft getan hatten.

Unser nächster Halt was das "Circle", eine Dance Bar mit, wie in dieser Gegend fast überall üblich, Live Band. Es wurden Oldies und Western Country gespielt - richtig nett. Getanzt wurde, zumindest von den Amerikanern, nur zu zweit - alleine zu tanzen war hier nicht üblich. Um also mitmischen zu können musste ein Schnellkurs im "Two step" her, den ich mir am Nachbartisch bei einer Gruppe (tut mir leid, dass so gemein sagen zu müssen) potthäßlicher Amerikanerinnen holte (ist nicht als allgemeine Wertung gegen Amerikanerinnen gemeint, es gibt viel mehr Hübsche, aber an dem Tisch war wirklich das Gegenteil versammelt). Da Luca ziemlch frech war besorgte ich ihm von dem Tisch auch eine Tanzpartnerin - sie gaben ein herrliches Paar ab: unser "Italien stallion" und ein fast zahnloses Cowgirl ...
Für den Two Step zeigte sich überraschenderweise ausgerechnet Roberto als der ideale Partner für mich, während ich Luca nach zwei schrecklichen Versuchen erklärte: "You dance like pushing cows!"               

Ab zwölf Uhr gab es nur noch Bier, Ausschank für Whisky-Cola war zu; gegen eins machte der Saloon dicht - strenge Regelungen im Amiland. 
Wir machten uns also auf den weiten Rückweg zur Ranch - sechzig Meilen durch eine Nacht, die von Blitzen und Wetterleuchten taghell erleuchtet war. Ich hatte noch nie so ein Blitzlichtgewitter erlebt - im Abstand von Sekundenbruchteilen wurde der Himmel in allen vier Richtungen erhellt. Auf dem letzten Stück zur Ranch sah man die Siluette des Devils Tower am Horizont aufleuchten - es war ein unglaubliches Naturereignis.
Ich saß noch mindestens eine Stunde lang alleine auf der Veranda, um dieses Schauspiel zu geniessen. Selbst für Wyoming war dies ein ungewöhnliches Zusammenspiel von Naturgewalten.


Samstag - Ausritt und Biker Party

Zum Mittagessen erwartete ich sehnsüchtig Luca und Roberto, die auf einem Ausritt waren. Als sie endlich ihre Pferde abgesattelt hatten und aus dem Stall kamen, brüllte ich von der Lodge zu ihnen herüber: "Hey - I need an Italian man!"
Die beiden Kerle kamen begeistert angelaufen: "Always here for you, honey!"
"That's fine! Today is pasta day - one of you have to prepare a real italian pasta lunch ..."
Das Tempo, in dem die beiden zu mir kamen, nahm sofort ab; aber ich schaffte es, Luca in die Küche zu sperren, wo er Spaghettis mit einer Speck-Zwiebel-Timanten-Soße für uns kochte. 
Monte passte die Mittagszeit mal wieder ab und erreichte die Ranch pünktlich, als die Nudeln auf den Tisch kamen. Er, ein Geschäftspartner und Billy leisteten uns Gesellschaft zum Essen.

Winter pastureNachmittags sattelte ich mir Jackpot für einen Ausritt auf das Winterpasture, wo wir einen großen Teil der Rinder hingebracht hatten. Malerisch grasten sie auf den grünen, durch und durch mit gelben Blüten durchsetzten Hügeln.

Danach fuhr ich nach Hulett zum Einkaufen. In der Rodeo-Bar, in der ich im Winter ab und zu mit Gregg und Linda gewesen war, wollte ich einen Karton Budweiser für Roberto kaufen. Ich nahm nichts ausser einem Zwanzig-Dollar-Schein mit in die Bar und bestellte den Karton.
"Your ID", forderte der Barmann von mir.
"Sorry, I don't have one with me."
"I need your ID."
Ich starrte ihn an. "I have no ID! But do you see all this rinkles?" deutete ich auf meine Augen, "I'm much older than twenty-one!" 
"But I need your ID", stellte sich der Typ stur.
"If you don't sell me beer I'll go to the fort", drohte ich.
"Yeah - but I don't know you. And without an ID I won't sell you beer."
Sauer drehte ich mich um: "And you won't know me better any time!"
Blödmann!
Ich fuhr schliesslich ohne Bier zurück zur Ranch, weil ich keine Lust hate, einen Umweg zum Fort zu machen. Dort setzte ich mich natürlich dem Spott aller aus, als ich erzählte, was mit in der Rodeo-Bar passiert war. Vorbei die Zeiten, in denen ich mir noch was auf mein jugendliches Aussehen einbildete, wenn man mich nach meinem Ausweis fragte ...

Zum Dinner beglückte ich Gäste und Personal mit panierten Hühnchen- und Schweinestückchen, Paprikagemüse, Gemüse mit in Butter gerösteten Semmelbröseln und (von den Italienern mal wieder verpönten) Kornbread. Soll doch mal einer sagen, dass ich nicht inzwischen kochen lernte ...

An diesem Abend war eine große Biker-Party im Fort, alle ausser Sylvia, die Heimweh hatte, fuhren dorthin. Ich vertiefte mit Roberto meine Two-Step-Kenntnisse, lachte Luca für seine "Kuhschieberei" aus und betrank mich mit Montes "Snooks" - diesem herrlichen Getränk aus Orangensaft, Maracuja-Likör und Whisky.
Selbst Barbara liess sich zu einem Whisky-Cola überreden, woraufhin sie behauptete, sie werde dadurch völlig willenlos.
Als wir, wieder begeleitet von der Lightshow hunderter von Blitzen wie am Vorabend, zur Ranch zurückkamen, stellte sie dies deutlich unter Beweis: nachdem Luca, Roberto, Barbara und ich zehn Minuten auf der Veranda vor der Lodge gestanden und die Blitze bewundert hatten, verzog sie sich wortlos mit Roberto in das obere Stockwerk. Ich starrte Luca mit offenem Mund an: "I don't believe what I saw!"
Der grinste nur.
"I thought that Barbara wanted to go with you somewhere sometimes - and now she went with Roberto!"
Er zuckte nur desinteressiert mit den Schultern. Da ich keinen Bock hatte, mir das Gerangel von Roberto und Barbara durch die recht hellhörigen Wände der Lodge anzuhören, verbrachte ich noch einige Zeit mit Luca auf der Veranda, bis ich ihm eine Gute Nacht wünschte, bevor es hier zu weiteren Mißverständnissen kam. Italiener!

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Last Update: 12/2000
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