01.07.2000, Lake Ranch - Quarter Horse Show
 

Nach zwei Stunden Schlaf wachte natürlich keiner mehr auf, um halb fünf ging ich rüber zum alten Ranchhaus, in dem Roberto und Luca schliefen, und schmiss sie aus den Betten. Das Frühstück, dass ich vorbereitet hatte, blieb ungegessen; unausgeschlafen fuhren Luca, Franco (der unbedingt den Mount Rushmore besichtigen wollte), Barbara und Sylvia um kurz nach fünf los.
Sylvia würde ich ehrlich vermissen. Obwohl wir uns kaum unterhalten konnten, da sie kein Englisch und ich kein Italienisch sprach, hatte ich sie wirklich gemocht. Barbara war mir dagegen immer etwas reserviert vorgekommen. Wahrscheinlich mochte sie mich nicht, weil sie einen Rivalen auf der Männerjagd in mir sah. Dabei hatte sie von meiner Seite gar nichts zu befürchten - ich hatte nicht die Absicht, mich als Ferien-Flirt oder Urlaubsaffäre abstempeln zu lassen.
Müde fiel ich ins Bett und freute mich darauf, ausschlafen zu können. Aber weit gefehlt: um neun stiefelte Roberto rumpelnd durch die Lodge und ließ die Wände unter seinen schweren Schritten vibrieren. Grummelnd stand ich auf, duschte und zog mich an und ging dann nach unten, um Roberto erst mal gründlich zusammen zu raunzen.
Den Vormittag verbrachte ich mit viel Kaffee und Telefonaten mit meinen Geschwistern. Gegen Mittag versuchte ich Fiorenzia und Roberto in einem englisch-italienisch-Kauderwelsch zu erklären, dass ich nach Gilette fahren wollte, um eine Quarter-Horse-Show zu besuchen. Die beiden waren Feuer und Flamme und stiegen mit in meinen Pickup, um den Ausflug zu machen.
Der Pickup fuhr eigenartig, irgendwie wechselten die Gänge des Automatik-Getriebes sehr langsam und ruckartig. Auf halber Strecke blieb ich stehen, prüfte das Getriebeöl und goss einen halben Liter von dem roten Öl nach. Allmählich gewöhnte ich mich an das zögerliche Schaltverhalten und beachtete es nicht weiter. 
In Gilette gingen wir erst einmal einkaufen, dann fuhren wir zum Messegelände, das wie ausgestorben war, und suchten nach der Quarter-Horse-Show. Wir fanden sie schließlich ein einer einzigen Halle ganz am Rand des riesigen Komplexes - viel schien da nicht los zu sein.
Die Quarter-Horse-Show entpuppte sich als ein ausgesprochen langweiliges Turnier, stundenlang wurden Trailreiten und Pleasure gezeigt. Die einzigen Zuschauer außer uns waren Teilnehmer und deren Freunde oder Verwandte. 

Kopfschüttelnd betrachteten wir die mit viel Silber herausgeputzten, geschniegelten und gestriegelten Pferde, die zweijährig mit fast über dem Boden schleifenden Kopf im Pleasure vorgestellt wurden. Furchtbar, waren wir uns einig. Da bevorzugten wir doch unsere schmuddeligen, aber natürlichen Arbeitspferde auf der Ranch!
Wir unterhielten zwei gelangweilte Amerikanerinnen an einem Imbisswagen, indem wir versuchten, uns etwas zu essen zu bestellen. Eine viertel Stunde lang versuchte ich Fiorenzia zu erklären, was sie bestellen könnte, bis sie mit ihrem unglaublichen Appetit und Null Englischkenntnissen schließlich zu allen Zutaten nickte, welche die Frauen ihr für ihren Big-Slappy-Joe anboten. Sie bekam ein ca. 20 cm Durchmesser großes, rundes, aufgeschnittenes und ausgehöhltes Weißbrot überhäuft mit Hackfleisch, Tomaten, Käse und Creme fraiche; Roberto und ich nahmen bescheiden mit einem Hot Dog vorlieb.
Wir wanderten noch ein wenig auf dem Messegelände herum und genossen den strahlenden Sonnenschein. Ich nahm meine tägliche Italienisch-Lektion und lernte ein oder zwei Sätze und versuchte im Gegenzug Fiorenzia mit Englisch-Grundkenntnissen vertraut zu machen.
Nach zwei Stunden hatten wir genug gesehen und gegessen und brachen auf, um zurück zur Ranch zu fahren.
Wir machten auf ein Budweiser im Fort halt und nahmen auch noch eine Flasche Wein mit zur Ranch.
Dort waren Luca und Franco schon längst wieder eingetroffen, vor dem Stall machte Luca gerade Pferde für drei neue Gesichter fertig - Überraschungsgäste ...
Charlie, der die Indianer-Touren in South Dakota veranstaltete, hatte uns die drei Schweizer schon am Vortag telefonisch angekündigt. Aber da keiner auf der Ranch war oder zu müde, um noch den Anrufbeantworter abzuhören, waren wir völlig ahnungslos gewesen, und die neuen Gäste waren einfach auf gut Glück mit ihrem Mietwagen zur Ranch gekommen. 
Man konnte Luca seine Begeisterung richtig ansehen - wir hatten uns auf ein paar ruhige Tage gefreut ...
So toll es mit den Gästen ist, weil sie Abwechslung mitbringen und einem mit ihrer manchmal fast kindlichen Begeisterung immer wieder vor Augen führten, was diese Ranch an Schönheit bot - manchmal war man natürlich auch froh, ein bisschen für sich zu sein.
Auf dem Weg zur Küche musste ich wieder meine ganze Phantasie spielen lassen, um drei Mäuler mehr zu stopfen. Mit Kotelett, Broccoli mit Käse überbacken und Fritten bekam ich die nun wieder auf acht Köpfe gewachsene Gesellschaft satt.
Ein gutes hatten die drei Schweizer, die nur zwei Tage bleiben wollten: sie sprachen zwar gut Englisch, aber kein Italienisch - und so sprach ich immer Deutsch mit ihnen, wenn ich Luca und Roberto bewusst ärgern wollte ... 

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Last Update: 01/2001 
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